Anschlag auf Opposition
Von Volker Hermsdorf
Ein Anschlag auf den rechten Präsidentschaftskandidaten Miguel Uribe, nicht verwandt mit dem früheren Staatschef Álvaro Uribe, erschüttert Kolumbien. Während der Senator von der Oppositionspartei Centro Democrático im Krankenhaus um sein Leben ringt, wächst die Debatte über Ursachen und Folgen politischer Gewalt in dem seit Jahrzehnten von Konflikten und sozialer Ungleichheit geprägten Land. Die Tat offenbart, dass die soziale Spaltung, die vor allem junge Menschen dort erleben, auch unter der Regierung des linken Präsidenten Gustavo Petro ein ungelöstes Problem ist.
Uribe wurde am Sonnabend während einer Wahlkampfveranstaltung in einem Park in der Hauptstadt Bogotá in den Rücken geschossen. Der 39jährige erlitt zwei Schussverletzungen am Kopf und eine am Knie. Trotz einer Notoperation blieb sein Zustand am Sonntag kritisch. Neben Uribe sollen zwei weitere Menschen verletzt worden sein. Wie Verteidigungsminister Pedro Sánchez mitteilte, nahm die Polizei noch am Tatort einen 15jährigen Jugendlichen aus einem Armenviertel der Hauptstadt fest, der eine Schusswaffe mit sich geführt haben soll. Bei Angehörigen des mutmaßlichen Täters wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt. Medien zufolge hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen, um die »intellektuellen Urheber des Anschlags« zu identifizieren.
Als erste Reaktion haben mehr als 20 politische Parteien des Landes – von rechts bis links – am Sonntag das Attentat in einer gemeinsamen Erklärung verurteilt. Gewalt dürfe »niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung« sein, heißt es darin. Die Parteien bekannten sich zudem zu einem Kolumbien, »in dem Unterschiede durch Dialog und Argumente gelöst werden – nicht mit Waffen«. Trotz scheinbarer Solidarität wird der Vorgang auch zur politischen Instrumentalisierung genutzt. Wirtschaftliche und politische Eliten nahmen das Attentat zum Anlass, die Regierung Petro anzugreifen und die Fronten weiter zu verhärten. US-Außenminister Marco Rubio machte den linken Staatschef sogar indirekt verantwortlich. Petro solle die »hetzerische Rhetorik« herunterfahren, schrieb Rubio auf X. Der Anschlag sei »eine direkte Bedrohung für die Demokratie und das Ergebnis der gewalttätigen linken Rhetorik aus den höchsten Ebenen der kolumbianischen Regierung«, so Rubio. Lateinamerikanische Nachbarstaaten reagierten dagegen differenzierter. Das mexikanische Außenministerium wünschte »baldige Genesung« und bekundete seine »Solidarität mit den Angehörigen und Kollegen«. Venezuela verurteile »jede Form von Gewalt, die darauf zielt, die politische und soziale Stabilität Kolumbiens zu untergraben«, erklärte der venezolanische Außenminister Yván Gil.
Kolumbiens Innenminister Armando Benedetti kündigte an, dass Petro sich am Montag mit den Vorsitzenden der Parteien treffen werde, um über »Garantien für die Wahlen 2026« zu sprechen. »Das Innenministerium und die Regierung fordern, mit Andeutungen über eine vermeintliche Verantwortung für dieses Verbrechen aufzuhören, denn das entfernt uns von der Wahrheit – und je weiter wir uns von der Wahrheit entfernen, desto näher geraten wir an den Abgrund der Gewalt«, sagte Benedetti. Laut Verteidigungsminister Sánchez gibt es über die Hintergründe der Tat drei Hypothesen: »Erstens, dass der Anschlag direkt Uribe galt; zweitens, dass er wegen seiner politischen Funktion und Zugehörigkeit zu seiner Partei verübt wurde; oder drittens, dass es sich um einen Versuch handelt, die nationale Regierung zu destabilisieren, indem man Attentate auf Personen verübt, die anders denken als die derzeitige Regierung.« Beobachter mahnen indes, dass die Gewalt nicht als isoliertes Ereignis betrachtet werden darf. Der Schwerpunkt müsse auf die Bekämpfung der Ursachen gelegt werden: Armut, Landkonflikte sowie fehlende Bildung und Perspektiven. Laut Gabriel Becerra von Petros linkem Bündnis Pacto Histórico sei es ein symptomatisches Zeichen für das Versagen der Gesellschaft, dass der Täter ein Kind aus einem benachteiligten Viertel war.
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