Lohn für Miete
Von Oliver Rast
Rackern, ackern, tagein, tagaus – und zum Monatsauftakt geht mehr als die Hälfte des Nettolohns für Miete drauf. Kein Einzelfall, denn bei rund 15 Prozent der 21 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland ist das so. Ein Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov, berichtete dpa am Montag. Drei Prozent der 4.000 Befragten verausgaben sogar 70 Prozent und mehr für ihre Miete. Und nur acht Prozent geben für ihre Wohnung weniger als 20 Prozent ihres Einkommens aus.
Dazu passt die neuerliche Debatte um die sogenannte Mietpreisbremse – etwa im Bundestag. Zunächst aber: Die Mietpreisbremse ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Demnach dürfen Landesregierungen »Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten« per Rechtsverordnung ausweisen. Als angespannt gilt ein Mietwohnungsbereich, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung »zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist«. Beispielsweise wenn Vermieter Mieten deutlich über den bundesweiten Durchschnitt erhöhen oder die Mietbelastung der Haushalte den Bundesschnitt erheblich übersteigt. In diesen Gebieten darf die Miete bei einer Neuvermietung zu Beginn höchstens zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Besagt das BGB. Das Problem: Schlupflöcher. Die »Bremse« greift nicht nach »umfassender Modernisierung«, bei Mietkosten, die bereits über der nach der Mietpreisbremse zulässigen Höhe liegen. Auch möblierte Bleiben fallen nicht unter die Regel. Gänzlich ausgenommen sind ferner Wohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet wurden. Hinzu kommt, die seit zehn Jahren existierende Mietpreisbremse ist bis Ende des Jahres befristet.
In erster Lesung berieten die Bundestagsfraktionen am vergangenen Donnerstag über die Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029. Dazu hatten die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD einen Gesetzentwurf zur Änderung der Regeln über zulässige Miethöhen bei Vertragsunterzeichnung vorgelegt. Parallel präsentierte die Linksfraktion einen Antrag mit dem Titel: »Mietpreisbremse verschärfen – Mieten stoppen«.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) verteidigte erwartungsgemäß den Kabinettsentwurf. Da die geltende Mietpreisbremse auslaufe, sei es notwendig zu handeln. Andernfalls drohe ein ungebremster Anstieg der Mieten, so die Ressortchefin. Denn die Gesetzesregel helfe, den Mietanstieg zu verlangsamen. Zweifelsfrei. Klar, ein Allheilmittel sie dies nicht, aber sie wirke.
Caren Lay (Die Linke) widersprach der Ministerin. Die Mietpreisbremse bremse ganz offensichtlich nicht die Explosion der Mietkosten, betonte die Fachpolitikerin ihrer Fraktion im Bundestagsplenum. Die Koalition wolle die Regel »ohne Reparatur« einfach nur verlängern – und feiere sich auch noch dafür. »Das ist absurd«. Weil: Seit Bestehen der Mietpreisbremse seien laut Lay die Mieten im Schnitt um 50 Prozent in die Höhe geschnellt. Es brauche kein »Mietpreisbremschen«. Das Instrument müsse entfristet werden und flächendeckend gelten. Zudem müssten Verstöße sanktioniert werden mittels Bußgeld und Rückzahlungspflicht der zuviel eingenommenen Mieten durch Vermieter. Und nicht zuletzt sei ein »echter Mietenstopp« notwendig. Jetzt. Also, Bestandsmieten in »angespannten Wohnungsmärkten« deckeln, für sechs Jahre einfrieren.
Mietenpolitische (Sofort-)Maßnahmen, die Immobilienlobbyisten im Bundestag nicht passen. Einer von ihnen heißt Otto Strauß. Der AfD-Politiker ist Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. »Statt Entlastung hat das Gesetz nur neuen Schaden angerichtet«, meinte der Hochsauerländer am Sonnabend in einem Statement. Die Mietpreisexplosion sei nicht die Folge »vermeintlicher Vermietergier«, sondern Ausdruck einer Politik, die Bauen durch »überzogene Vorschriften« verhindere. Strauß, einer, der das Credo der Immohaie »Bauen-bauen-bauen« bedient. Übersetzt: Überteuerter Wohnraum für die, dies es sich locker leisten können. Alle anderen ackern werktäglich, um nicht aus der Bude zu fliegen – oder: Lohn für Miete.
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