Kalifornien brennt
Von Volker Hermsdorf
Es sind Bilder wie aus einem Bürgerkrieg, die in diesen Tagen von der Westküste der USA eintreffen. Martialisch in voller Kampfmontur aufmarschierende Soldaten auf der einen Seite, brennende Barrikaden, umgestürzte Autos und verängstigte Kinder unbescholtener Familien, die zunächst nur gegen ihre drohende Verhaftung protestierten, auf der anderen. Was Ende vergangener Woche mit Demonstrationen gegen Massenabschiebungen in Los Angeles begann, greift seit Sonntag auch auf San Francisco und andere Orte über. Die Auseinandersetzungen folgten auf eine Anordnung von US-Präsident Donald Trump, der am Sonntag als Reaktion auf die Proteste in seinem rechten Netzwerk Truth Social erklärte: »In Los Angeles sieht es schlecht aus. Holt die Truppen!«

Kalifornien ist seitdem zum Schauplatz einer repressiven Machtdemonstration geworden, wie sie die USA seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben. Nachdem die Einwanderungsbehörde ICE Dutzende – meist lateinamerikanische – Menschen oft wahllos festgenommen hatte, reagierten die Betroffenen in der zweitgrößten Stadt der USA. Tausende versammelten sich zu friedlichen Protestmärschen, blockierten Highways, umzingelten das Metropolitan Detention Center und forderten ein Ende der Jagd auf Einwanderer. Für Trump eine Vorlage für eine offenbar kalkulierte Eskalation. Er bezeichnete die Demonstranten als »Mob« und nannte Los Angeles eine »von Kriminellen besetzte Stadt«. Die Proteste wurden zur »illegalen Versammlung« erklärt, der Staat reagierte mit Tränengas, Räumpanzern und Truppen zur Aufstandsbekämpfung. Das normalerweise für externe militärische Bedrohungen, terroristische Angriffe und Naturkatastrophen zuständige »Northern Command« der US-Streitkräfte schickte auf Anordnung Trumps 2.000 Soldaten der Nationalgarde in die Region, auch 500 Marines stehen bereit.

Cicley Gay, die Vorsitzende der Black Lives Matter Global Network Foundation, sieht darin eine gezielte Provokation. »Die Nationalgarde gegen Demonstrierende einzusetzen – in einer Stadt, die noch immer mit rassistischer und migrationsbezogener Ungerechtigkeit ringt – erinnert stark an die Machtdemonstration der Regierung in Washington nach George Floyds Ermordung«, sagt sie. »Das dient nicht der Sicherheit – das ist ein autoritäres Schauspiel«, verurteilte auch die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, den Einsatz des Militärs. Kaliforniens demokratischer Gouverneur Gavin Newsom wirft Trump ebenfalls vor, die Eskalation provoziert und geltendes Recht gebrochen zu haben, um sich als handlungsstark in Szene setzen zu können. Laut Gesetz untersteht die Nationalgarde dem Kommando des jeweiligen Gouverneurs. Newsom, der als Kandidat für die US-Präsidentschaftswahl 2028 gehandelt wird, kündigte eine Klage an.
Nicht nur in den USA wächst die Empörung. Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum forderte die US-Behörden zum »anständigen Umgang mit Migranten« auf und prangerte die ungerechtfertigte Strafverfolgung ihrer Landsleute an. »Razzien oder Gewalt« seien nicht die richtige Art und Weise, mit dem Phänomen der Migration umzugehen», sagte sie am Sonntag. Venezuelas Regierung hatte bereits vor einer Woche eine «Reisewarnung höchster Stufe» für die USA ausgerufen. «Die USA sind ein gefährliches Land, in dem Migranten keinerlei Rechte haben», warnte das Außenministerium in Caracas vor einem Besuch im «Land of the Free».
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Kevin Lamarque/REUTERS07.08.2019
Caracas im Würgegriff
- AP Photo/Carolyn Kaster/dpa29.07.2019
Weißes Haus diktiert
- Renee Jones Schneider/Star Tribune/AP/dpa07.09.2017
Aus der Traum