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Aus: Ausgabe vom 07.06.2025, Seite 6 / Ausland
Italien

Rom sabotiert Referendum

Italien: Rechte Regierung instrumentalisiert Frage zur Einwanderung und mobilisiert für einen Boykott
Von Fabio Nacci, Modena
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Mit einem Ja gegen den neoliberalen Kahlschlag: Werden die Italiener die Chance nutzen? (Mailand, 4.6.2025)

Am Sonntag und Montag sind die Wahlberechtigten in Italien aufgerufen, über fünf Fragen in einem Referendum abzustimmen. Vier davon betreffen Arbeitsbedingungen, eine zielt auf einen vereinfachten Zugang zur italienischen Staatsbürgerschaft ab. Damit steht im Mittelpunkt der Abstimmung das Ende der Prekarität. Die Initiatoren wollen die Arbeitsmarktreformen zurücknehmen, die zwischen 2014 und 2016 unter der Regierung von Matteo Renzi eingeführt worden waren. Der sogenannte »Jobs Act« – ein neoliberales Reformpaket – schwächte insbesondere den Kündigungsschutz für unbefristet Beschäftigte und ersetzte die Wiedereinstellung nach einer ungerechtfertigten Kündigung durch Geldzahlungen. Die Verheißung, dadurch werde der Arbeitsmarkt belebt, ist nie eingetreten. Heute sind rund sechs Millionen Menschen prekär beschäftigt, etwa neun Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Italien gelten als arm.

Doch nicht nur der Inhalt ist ein brisantes politisches Thema, sondern auch die Frage der Beteiligung: Damit das Referendum gültig ist, muss mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten einen richtig ausgefüllten Zettel in die Urne werfen – ein Ziel, das schwer zu erreichen ist. In den vergangenen 30 Jahren war das in Italien nur viermal der Fall. Auch hat die rechte Regierung unter Premierministerin Giorgia Meloni kein Interesse daran, die Beteiligung zu fördern – im Gegenteil. Hochrangige Vertreter der Regierungsparteien, darunter Außenminister Antonio Tajani und Senatspräsident Ignazio La Russa, riefen offen dazu auf, dem Urnengang fernzubleiben. Meloni selbst kündigte an, sie werde »aus Respekt vor den Institutionen« zwar ins Wahllokal gehen, aber keinen Stimmzettel abgeben. Die Opposition sieht darin einen Versuch der gezielten Untergrabung. Nicola Fratoianni, Vorsitzender von Sinistra Italiana (Italienische Linke), warf der Premierministerin politischen Zynismus und »Tricks« vor.

Was die Rechten zumindest vordergründig auf die Barrikaden bringt, ist die letzte der fünf Abstimmungsfragen. Wärend die CGIL, die größte Gewerkschaft des Landes, die Fragen zu den Arbeitsbedingungen einbrachte, geht die zur Staatsbürgerschaft auf linke Oppositionsparteien und Organisationen zurück. Darin wird zwar keine Abschaffung des sogenannten »Ius Sanguinis«, wonach die Staatsangehörigkeit der Eltern für die des Kindes entscheidend ist, vorgeschlagen, aber eine moderate Reform: Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts in Italien, bis ein Antrag auf Einbürgerung gestellt werden kann, soll von zehn auf fünf Jahre verkürzt werden. Die Regierung kann über die Zusammensetzung und den Zeitpunkt der zur Abstimmung gestellten Fragen entscheiden. Für viele Beobachter ist es kein Zufall, dass sie ausgerechnet die Abstimmung über die Staatsbürgerschaft dem Fragenkatalog zu verbesserten Arbeitsbedingungen beifügte. Denn der Vorschlag ist in Teilen der Bevölkerung unpopulär – und könnte so die Beteiligung an der Abstimmung niedrig halten. Ein strategischer Schachzug also, um das gesamte Referendum zum Scheitern zu bringen.

Trotz interner Spannungen zwischen dem linksgerichteten und dem rechten Flügel des Partito Democratico (PD), der weiterhin an der Politik Renzis festhält, hat sich Parteichefin Elly Schlein klar hinter das Referendum gestellt. Sie hatte die PD 2015 aus Protest gegen den Jobs Act verlassen – heute versucht sie, die Partei wieder weiter nach links zu rücken. Ihr Ziel: Mindestens 12,5 Millionen Wähler zur Urne bewegen. Selbst bei einem Scheitern könnte eine breite Teilnahme ein deutliches politisches Signal senden. Denn auch ohne rechtlich verbindliches Ergebnis wäre die Botschaft klar: Es gibt eine Mehrheit gegen den Abbau von Beschäftigtenrechten, gegen soziale Ungleichheit – und gegen eine Regierung, die zur Stimmenthaltung aufruft.

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