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Aus: Ausgabe vom 07.06.2025, Seite 5 / Inland
Charité Facility Management

TVöD für Tochter an der Spree

Nach 48 Tagen Streik bei Charité-Servicetochter: Angleichung an Entgelte des öffentlichen Dienstes bis 2030
Von Susanne Knütter
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Mobilisierung für bessere Arbeitsbedingungen: Beschäftigte der Charité Facility Management am 3. April

Sie machen die Betten, halten die Stationen sauber, kochen 4.500 Mahlzeiten pro Tag, sorgen für die Instandhaltung des technischen Geräts und, und, und. Kurzum, sie halten den Betrieb des größten deutschen Universitätsklinikums am Laufen: die Beschäftigten der Charité Facility Management GmbH (CFM) in Berlin. Und seit 20 Jahren kämpfen sie für gleichen Lohn für gleiche Arbeit. In der Nacht zu Freitag sind sie ihm wieder ein Stück näher gekommen. Bis Ende 2030 soll die Lücke zum Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) geschlossen werden. Die 3.500 Beschäftigten der CFM sollen dann zu hundert Prozent den Entgelttariftabellen des TVöD zugeordnet sein. Das bedeutet ein Plus von 300 bis 800 Euro je nach Berufszweig, erläuterte Sascha Kraft, Betriebsrat der CFM, am Freitag gegenüber jW. Die Geringverdiener erhalten demnach den größten Zuwachs. Außerdem sei eine Dynamisierung erreicht worden, das heißt, wird der TVöD 2027 wieder angehoben, wirkt sich das auch auf die CFM-Entgelte aus.

Dem Senat die Stirn geboten

Aus Sicht von Kraft ist der Abschluss ein Meilenstein. Er könne »durchaus einen Flächenbrand in Deutschland auslösen«. Denn in einer Zeit drastischer Haushaltskürzungen habe man dem Berliner Senat die Stirn geboten. Und dem Management der CFM, die eine hundertprozentige Tochter des landeseigenen Klinikkonzerns ist. Der Tarifabschluss koste über die nächsten fünf Jahre insgesamt 200 Millionen Euro, so Kraft.

48 Tage haben die Beschäftigten für den Abschluss gestreikt. Konstant seien 600 bis 700 Kollegen draußen gewesen. Der Streik habe erstmals unter Bedingungen einer Notdienstvereinbarung stattgefunden. Die Landesregierung habe sich anders als die Vorgängerregierung nicht mehr dahinter verstecken können, die Rückführung der 2005 outgesourcten Servicebereiche in die landeseigenen Kliniken als Ziel im Koalitionsvertrag zu haben. Auch diese Formulierung im Koalitionsvertrag übrigens hatten sich die Beschäftigten erkämpfen müssen. Genauso wie die formale Rückführung der Tochter in Landeseigentum im Jahr 2019 und den ersten Haustarifvertrag 2021.

Und der Kampf wird weitergehen, bis die »unendliche Geschichte der CFM« ein Ende hat, so Kraft. So habe man bei den Arbeitsbedingungen noch keine Angleichung zum TVöD-Manteltarifvertrag erreicht. Das sei der »schmerzliche Kompromiss« zugunsten der Anpassung bei den Entgelten gewesen, hieß es in einer Verdi-Mitteilung am Freitag. Der Manteltarifvertrag kann ab 2030 erneut gekündigt werden.

Aktivisten gut aufgestellt

Allerdings, bis dahin ist es eine lange Zeit. Jetzt seien gut 50 Prozent der CFM-Beschäftigten organisiert. Können sie so lange bei Verdi gehalten werden? Kraft ist zuversichtlich. Der Aktivenkern sei gut aufgestellt. Wichtig sei, die Betriebsratsarbeit, Gewerkschaftsarbeit und die politische Arbeit zusammenzudenken und zu organisieren. »Und zu den TVöD-Entgeltrunden werden wir auch streiken.« Außerdem unterstützen sie die kommende Auseinandersetzung bei den Vivantes-Töchtern. Dort habe man es im Grunde mit dem gleichen Konstrukt und der gleichen Dynamik zu tun. Die Organisierung sei bereits in vollem Gange, sagt Kraft. Bei der CFM hätten sie das große Glück gehabt, insgesamt 60.000 Euro Streikunterstützung gesammelt zu haben. Von dem Solisonderfonds ist noch etwas übrig. Das Geld werde man den Kollegen der Vivantes-Töchter für ihren Streik im nächsten Jahr zur Verfügung stellen.

Sofern die CFM-Beschäftigten es nicht doch selbst brauchen. Der Tarifabschluss ist noch unter Vorbehalt. In den nächsten Tagen entscheiden die Verdi-Mitglieder in einer Urabstimmung über Annahme oder Ablehnung.

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