Berufszeugen
Von René Lau
Das Herzstück eines Strafverfahrens ist die Hauptverhandlung. Hier wird die Anklage verlesen, werden Zeugen gehört oder auch Fotos und Videos gesichtet. Eine derartige Verhandlung ist öffentlich, so dass jeder überprüfen kann, was passiert. Nicht immer ist vorherzusehen, in welche Richtung die Zeugenaussagen gehen, da in der Regel nicht alle Zeugen schon im Ermittlungsverfahren gehört worden sind. Sehr wichtig ist daher die genaue Vorbereitung auf die Verhandlung gemeinsam mit dem Mandanten.
Schon allein durch die Vorladung wird jedem Zeugen bewusst, welche Konsequenzen es hat, wenn er nicht erscheint. Bei unentschuldigtem Fehlen kann er ein Ordnungsgeld erhalten oder gegebenenfalls zwangsweise vorgeführt werden. Doch Zeuge ist nicht gleich Zeuge. Aus Sicht des Gerichtes und insbesondere der Staatsanwaltschaft scheint es Zeugen zu geben, die glaubwürdiger sind als andere. Dazu zählen Polizeibeamte, die wir auch als Berufszeugen bezeichnen. Erscheint ein solcher im Sitzungssaal, ist aus Sicht der Verteidigung klar, dass ihm seitens des Gerichtes und der Staatsanwaltschaft mehr geglaubt werden wird als zum Beispiel einem Fußballfan.
In letzter Zeit fällt mir immer häufiger auf, dass Polizeibeamte unentschuldigt fehlen. Fehlen andere Zeugen unentschuldigt, sind Gericht und Staatsanwaltschaft oft schnell dabei, ein Ordnungsgeld zu verhängen. Die Staatsanwaltschaft kann es beantragen, die Verteidigung kann es nur anregen. Selbstverständlich tue ich das in jeder Hauptverhandlung. Aber nur in seltenen Fällen gehen die Richter darauf ein. Ein Ärgernis. Offensichtlich sehen Gericht und Staatsanwaltschaft derartige Zeugen als etwas Besseres an. Sie dürfen daher ruhig einmal unentschuldigt fehlen. Dass dadurch Termine platzen oder ganze Verfahren neu begonnen werden müssen, kümmert niemanden. In der Konsequenz müsste eigentlich der Zeuge die Kosten tragen. Doch bei fehlenden Polizisten ist dies nie der Fall. Als Fananwalt habe ich es in so gut wie jedem Verfahren mit Polizeibeamten als Zeugen zu tun. Wenn diese dann allerdings auch noch von Gericht oder Staatsanwaltschaft mit Samthandschuhen angefasst werden, ist das der Sache kaum dienlich. Auch Polizisten sollen die Konsequenzen tragen müssen, wenn sie sich nicht entsprechend der Strafprozessordnung verhalten.
»Sport frei!« vom Fananwalt.
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