Big Tech macht Druck
Von Sebastian Edinger
Der US-Digitalkonzern Meta wehrt sich vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Einstufung einiger seiner Dienste als »Gatekeeper« nach dem Digital Markets Act (DMA). So wird in der Kommunikationswissenschaft die Wirkung von Medien bezeichnet, die entscheiden, welche Ereignisse ausgewählt und dem Konsumenten präsentiert werden. Am Dienstag fand eine mündliche Verhandlung statt. Letztlich geht es in dem Prozess auch um die 200-Millionen-Euro-Strafe, die die Kommission im April gegen Meta verhängt hatte. Zudem könnte der Ausgang des Verfahrens weitreichende Folgen für die künftige Anwendung des im März 2024 in Kraft getretenen Gesetzes haben, mit dem die Europäische Union versucht, die Marktmacht großer Techkonzerne zu begrenzen. Ein anderer Verhandlungsprozess könnte für die Zukunft von Big Tech in der EU dennoch bedeutsamer sein.
Schließlich hatte US-Präsident Donald Trump die angekündigten Strafzölle auf Importe aus der EU nach einem Gespräch mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bis zum 9. Juli ausgesetzt – und damit ein Verhandlungsfenster geöffnet. Trump will einen besseren Zugang für das US-Kapital zum EU-Markt, um die negative Handelsbilanz zu verbessern. Es ist naheliegend, dass es dabei auch um die Zugangsbarrieren für Techfirmen gehen wird, die die EU in den letzten Jahren mit Gesetzen wie dem DMA errichtet hat. Zuletzt hatte das Weiße Haus scharfe Kritik an der Digitalgesetzgebung aus Brüssel geäußert, nachdem die Kommission die Strafe gegen Meta verkündet hatte.
Im selben Zug hatte die Behörde den US-Konzern Apple zu einer Zahlung in Höhe von 500 Millionen Euro verdonnert. In beiden Fällen ging es um Verstöße gegen den DMA. Apple wird vorgeworfen, eigene Dienste im App-Store zu bevorzugen. Meta soll zur Kasse gebeten werden, weil der Konzern mit seinem »Pay or consent«-Modell gegen die Vorschriften zur Verwendung personenbezogener Nutzerdaten verstoßen hat (jW berichtete). Es handelt sich um die ersten Bußgelder nach den Vorgaben des DMA.
»Diese neuartige Form der wirtschaftlichen Erpressung wird von den USA nicht geduldet«, stellte Brian Hughes, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, kurz nach Bekanntwerden des Strafmaßes klar. Weiter sprach er von »Erpressung« und forderte ein Ende des »böswilligen« Vorgehens der EU gegen US-amerikanische Techkonzerne. Mit den 50-Prozent-Zöllen, die Trump auf Importe aus der EU ankündigte, hat die US-Regierung nun einen Hebel in der Hand, mit dem sie einen anderen Umgang mit Big Tech erzwingen könnte. Der DMA – oder zumindest seine Anwendung auf US-Digitalfirmen – liegt bei den begonnenen Zollverhandlungen zwischen Brüssel und Washington auf dem Tisch. Weitreichende Ausnahmen für US-Konzerne würden den DMA jedoch insgesamt ad absurdum führen, denn mit Ausnahme des chinesischen Tik-Tok-Mutterkonzerns Bytedance und der in den Niederlanden ansässigen Unterkunftsplattform Booking.com fallen ausschließlich US-Firmen unter die »Gatekeeper«-Definition. Die Einstufung erfolgt anhand von Kriterien wie Umsatz, Marktkapitalisierung und Reichweite. Für die betroffenen Firmen gelten unter anderem schärfere Wettbewerbs- und Transparenzauflagen.
Die Verhandlungsposition der Vertreter aus Brüssel ist schwach. Zum einen hat die EU mit ihrem eklatanten Handelsüberschuss von rund 200 Milliarden Euro gegenüber den USA im Falle einer Zuspitzung des Zollkrieges viel zu verlieren. Zum anderen wurde es versäumt, eine eigene leistungsfähige digitale Infrastruktur aufzubauen. Einheimische Konzerne, die die Dienste von Microsoft, Meta, Apple und Co. auf vergleichbarem Niveau ersetzen können, gibt es nicht.
Derweil wird in Deutschland über die Einführung einer Digitalabgabe für große Internetkonzerne diskutiert. Entsprechende Pläne hatte Kultur- und Medienstaatsminister Wolfram Weimer angekündigt. Ein möglicher Ansatz wäre die Besteuerung von Onlinewerbung, der Steuersatz könnte sich auf zehn Prozent belaufen. Aus dem Digitalministerium hieß es laut der Nachrichtenagentur dpa, man wolle die Pläne »konstruktiv« begleiten. Der Vorschlag befinde sich aber noch »in einem sehr frühen Stadium«. Kritik kam erwartungsgemäß aus der Digitalwirtschaft.
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