Trump wiegelt ab
Von Reinhard Lauterbach
US-Präsident Donald Trump hat am Mittwoch eine gute Stunde lang mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin telefoniert. Anlass waren offenkundig die ukrainischen Angriffe vom Sonntag auf Stützpunkte der strategischen Bomberflotte Russlands. Nach dem Gespräch veröffentlichte Trump auf seiner Plattform Truth Social einen Text, worin von einem »guten Gespräch« die Rede war – auch wenn es »den Frieden nicht nähergebracht« habe. Russland »werde antworten«, so Trump ohne Worte der Warnung und Verurteilung. Gleichzeitig veröffentlichte die New York Times unter Berufung auf Quellen aus dem Umfeld von Trump einen Artikel darüber, dass Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij für einen »bad guy« (bösen Burschen) halte. Parallel hat sich eine Reihe von Personen aus dem militärisch-geheimdienstlichen Umfeld Trumps sehr kritisch über die ukrainische Aktion geäußert.
Die erste Schlussfolgerung aus der Mitteilung Trumps ist, dass der US-Präsident Putin offenbar signalisieren wollte, dass die USA keine negativen Konsequenzen aus einem eventuellen russischen Vergeltungsschlag gegen die Ukraine ziehen würden. In diesem Sinne reagierte der ukrainische Präsident, der sich »enttäuscht« über die Tatsache äußerte, dass Trump überhaupt mit Putin gesprochen habe. Wenn man das für halbwegs bare Münze nimmt, dann will Washington offenbar den Eindruck erwecken, die ukrainische Aktion habe zu einer ernsten Verstimmung zwischen Kiew und Washington geführt. Die Betonung liegt auf »Eindruck erwecken« – denn stimmen muss die Behauptung, Washington habe vorab keine Informationen aus Kiew über den geplanten Angriff erhalten, keineswegs. Darauf hat zum Beispiel der pensionierte US-Luftwaffengeneral Blaine Holt auf X hingewiesen: Niemand in Moskau glaube, so Holt, dass die Ukraine diese Aktion ohne Unterstützung durch westliche Geheimdienste hätte planen und durchführen können. Die Ukraine bringe die Welt an den Rand des Dritten Weltkriegs.
Trumps ehemaliger Sicherheitsberater, der General Mike Flynn, ging noch einen Schritt weiter und schrieb, ein Land, das strategische Einrichtungen von globaler Bedeutung angreife, ohne Washington zuvor zu informieren, sei für die USA »kein Verbündeter mehr, sondern ein Konkurrent im Blindflug«. Dieses Thema entwickelte auch der frühere Trump-Berater Steve Bannon: Selenskij wolle die USA »in seinen Krieg hineinziehen« und spiele mit der nuklearen Katastrophe. Zumal ein Besuch des als »Falke« bekannten US-Senators Lindsey Graham in Kiew kurz vor dem Angriff den Eindruck erwecken könne, dass die USA sehr wohl vor der Aktion ihr Einverständnis dazu gegeben hätten. Was man mit einiger Plausibilität als ernsthafte Befürchtung des US-Militärapparats unterstellen kann, ist das Argument, der ukrainische Angriff habe der Welt gezeigt, wie wenig es brauche, um riesigen Schaden an »superteuren« (Bannon) strategischen Bombern anzurichten: Ein paar Drohnen, wie man sie im Internet bestellen könne, ein paar Lkws und ein bisschen technisches Verständnis. Das könne alles auch in den USA passieren.
Bislang ist ein russischer Vergeltungsschlag für die Angriffe vom Sonntag ausgeblieben. Auffällig ist, dass offizielle russische Vertreter am Mittwoch erklärten, wenn die Ukraine noch einmal Angriffe wie den vom Sonntag durchführe, dann schließe dies weitere Verhandlungen auf irgendeiner Ebene zwischen Moskau und Kiew aus. Man kann das als zumindest verbale Deeskalation lesen: Diesen einen Angriff werde Moskau hinnehmen, wie zähneknirschend auch immer. Gleichwohl gingen die russischen Drohnen- und Raketenangriffe auf Ziele in der Ukraine auch in der Nacht zum Donnerstag weiter. So etwa in Cherson. Dort schlug eine russische Gleitbombe eine große Bresche in die Fassade des Sitzes der örtlichen ukrainischen Militärverwaltung. Das zu sowjetischen Zeiten für die Bedürfnisse des damaligen Gebietskomitees der Partei errichtete massive Gebäude sah nach dem Angriff aus, als sei es bis auf weiteres unbenutzbar.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (5. Juni 2025 um 21:35 Uhr)Es wurden »nur« 10 bis 12 strategische Bomber ausgeschaltet (siehe jW). Dennoch ist es beachtlich, dass dies überhaupt gelingen konnte. Gibt es Information, wie es der Ukraine gelungen ist, Drohnen so nahe an diese Bomber zu bringen? Ein klares Versagen der russischen Geheimdienste und der Abwehr solcher Angriffe. Wobei hier hinzugefügt werden muss, dass solche Szenarien für die Abwehr nicht eingeplant waren.
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