Todesfracht bleibt an Land
Von Bernard Schmid
Diese Ladung ging nicht an Bord: Am Donnerstag weigerten sich die Hafenarbeiter im südfranzösischen Industriehafen von Fos-sur-Mer unweit von Marseille, 19 Paletten der in der Region ansässigen Firma Eurolinks an Bord des Schiffes »Contship Era« zu bringen.
Einen Tag zuvor hatte das von Nichtregierungsorganisationen unterstützte Recherchemagazin Disclose Alarm geschlagen: Das französische Unternehmen schicke sich an, über die Häfen von Fos und Haifa – dem Zielort – vierzehn Tonnen Bauteile für Maschinengewehre an den kriegführenden Staat Israel zu liefern. Auf deren Herstellung sowie die von Munition für die israelische Armee ist Eurolink spezialisiert. Bestätigt wurden diese Informationen auch von der linken irischen Onlinezeitung The Ditch. Empfänger der Ladung ist demnach das Rüstungsunternehmen Israel Military Industries.
Schnell reagierte die Hafenarbeitergewerkschaft des Dachverbands CGT auf die jüngste Meldung. Beim Kurznachrichtendienst X publizierte sie eine Erklärung: »Die Docker und Hafenbeschäftigten in der Bucht von Fos werden nicht am laufenden Völkermord teilnehmen. Wir sind für den Frieden zwischen den Völkern. Wir beklagen alle bewaffneten Konflikte, die Tod, Elend und Massenflucht der Bevölkerung auslösen.« Der gewerkschaftliche Organisationgrad der Docker in den französischen Häfen ist besonders hoch. Am Mittwoch nachmittag vermeldete die französische Wochenzeitung Le Courrier international, die Hafenarbeiter im italienischen Genua, wo die »Contship Era« als nächstes anlegen soll, hätten ihrerseits angekündigt, gegen die Waffenlieferungen in den Streik zu treten.
Laut den Informationen von Disclos sowie der Marseiller Lokalzeitung Mars Actu handelt es sich – vorausgesetzt die Consthip Era läuft mit ihrer tödlichen Fracht aus – bereits um die dritte Waffenlieferung in Richtung Israel seit Beginn des Jahres. Die beiden vorangegangenen fanden demnach am 3. April und am 22. Mai statt. Die südfranzösische Regionalzeitung L’Indépendent meldete derweil am Donnerstag, dass die französische Regierung eine Lieferung von Kanonenrohren an Israel vorbereite. Im Oktober vorigen Jahres hatte Präsident Emmanuel Macron angekündigt, Frankreich werde vorläufig keine Waffen mehr an Israel liefern, die in Gaza zum Einsatz kommen könnten. Sein Verteidigungsminister Sébastien Lecornu hatte schon im April 2024 behauptet, es würden nur noch Rüstungslieferungen für den Weiterexport aus Israel an Drittstaaten genehmigt.
Unterdessen sorgt in Frankreich eine jüngst in Paris durchgeführte »Galaveranstaltung« zur Unterstützung der israelischen Armee für Irritationen. Bei der Veranstaltung, der auch prominente Künstler beiwohnten und bei der die Fernsehjournalistin Laurence Ferrari einen Preis erhielt, wurde das Publikum mit – höflich ausgedrückt – geschmacklosen Quizfragen wie dieser unterhalten: »Wenn im Gazastreifen 55.000 Personen gestorben sind (…), wie viele Gaza-Bewohner sind tot? 10,5, 24,6, 1,3 oder 5,5 Prozent?« Durch den Abend führte die in Frankreich als »Islamkritikerin« herumgereichte, der extremen Rechten nahe stehende Agitatorin Barbara Lefebvre. Sie forderte am 31. Mai in einer Radiosendung explizit die Leerung des Gazastreifens von seiner Bevölkerung. Aymeric Caron, Abgeordneter der linken Wahlplattform La France insoumise, forderte inzwischen den Erlass eines Verbots gegen den veranstaltenden Verein.
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Leserbrief von Michael J. aus Altenburg (6. Juni 2025 um 13:49 Uhr)Es sind solche Zeichen wie die der französischen Hafenarbeiter, die in diesen Zeiten der Resignation (oder Gleichgültigkeit?) den Hoffnungsschimmer auf eine wenn auch momentan schwer vorstellbare zukünftige Welt ohne Krieg, Militarismus und über Leichen gehende Rüstungsprofiteure am Glimmen halten. Danke und tiefer Respekt für diese mutige und klare Aktion! Was für ein Gegensatz zur Gewerkschaftsbewegung der BRD!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Roland W. aus 08280 Aue (6. Juni 2025 um 11:11 Uhr)Wenn in Deutschland noch von einer Klassenorganisation die Rede sein kann, das Klassen- und Interessenverständnis in deutschen Gewerkschaften noch existent ist, dann sollten Beispiele antimilitaristischer Aktionen wie der Hafenarbeiter Frankreichs zumindest solidarische Signale auslösen. Ist das der Fall, ist uns etwas entgangen von unseren Gewerkschaftsoberen? Möglicherweise hart am Rande eines dritten Weltkriegs und während massenhaften Sterbens, Verreckens auf den Schlachtfeldern der Profite von Rheinmetall und Co. findet in deutschen Führungsetagen und Gewerkschaftskreisen nicht einmal ein weithin hörbares Diskutieren und bildungspolitische Auseinandersetzung zu der uralten Frage statt warum Rüstung und Krieg immer dem Sterben auf den Schlachtfeldern voraus ging. Warum nicht die Frage wieder aufnehmen, warum Krieg immer die Sache und objektives Interesse, zwanghafte Entwicklung des Kapitals, der herrschenden Klasse ist und war. Warum nicht das objektive Interesse am Frieden der Lohnabhängigen, der arbeitenden Klasse und Schichten neu und wieder erklären, zu Bewusstsein bringen? Welche Erfahrungen und Lehren brauchen wir und »unsere« Gewerkschaften noch? Ist es der Arbeitsplatz bei Rheinmetall, ehemals Hermann-Göring-Werke, die Sache wert, um für Kriegsprofiteure zu verrecken, Familien zu zerstören, ein Land ihrem Profitrieb zu opfern?
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