Das Supertalent
Von Oliver Rast
Klar, bei Superlativen ist Vorsicht geboten: Ausnahmetalent, Wunderkind, Überflieger. Bei manchen treffen sie indes zu. Etwa bei Arminius Rolle. Der 15jährige Berliner ist Deutschlands jüngster Boxprofi. Und übertrumpft damit den früheren Rekordhalter Michel Trabant, der mit 16 Jahren im Profizirkus sein Debüt feierte. 1995 war das.
Jahrzehnte später. Vergangenen Sonnabend in Nürnberg – bei der »Boxclub 1. FCN Warriors Night«, einem Event der Boxabteilung der »Glubberer«, des 1. FC Nürnberg. Der Gymnasiast aus Rudow klettert erstmals offiziell in den Ring der professionellen Faustfechter. Mit einer Ausnahmegenehmigung des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB). Rolles Kontrahent, Constantin Albrecht, ist gleichfalls Debütant. Und unterlegen. Gnadenlos. Rolle ballert Schlagsalven ab, punktet mit klaren, harten Händen. Mal zum Körper, mal zum Kopf, mal kombiniert. Haken, die Wumms haben, Eindruck machen. Albrecht wirkt in Runde zwei bereits angeknockt. In der Tat. Nach dem zweiten Niederschlag gibt er auf – und hat von seiner Premiere auf der Profibühne genug. Das heißt: TKO-Sieg für Rolle. Ein Ausrufezeichen. »Ich wollte zeigen, was ich draufhabe«, sagt der Jungstar in spe im jW-Gespräch. Mehr noch, er sei bereit, Geschichte zu schreiben. »Der Feldzug kann beginnen.«
Was so forsch daherkommt, kommt nicht von ungefähr. Arminius’ Vater Robert Rolle (42) war IBF-Europameister im Halbschwergewicht. Er trainiert seinen Sohn – und er weiß: Sein Zögling ist weiter als boxende Altersgenossen. Athletisch, konditionell, mental, taktisch. Hinzu kommt: »Arminius hat einen typischen Profiboxstil«, betont Vater Rolle gegenüber jW. Das heißt? Stabiler Stand, hohe Schlagkraft, vorzeitige Entscheidung im Seilquadrat suchen. Nach allen Regeln der Kunst, wie im Spiel der Könige.
Richtiges Stichwort – weil: Arminius Rolle ist zugleich Weltmeister der Junioren im Schachboxen. Ja, das gibt es. Eine Doppeldisziplin, die als Kunstperformance vor mehr als 20 Jahren begann, seit Jahren ernsthaft als Turnierwettkampf betrieben wird. 2023 in Italien und 2024 in Armenien holte sich der Jungspund die Krone im Leichtgewicht. Drei Minuten Schach, drei Minuten Boxen, ein leichtes Spiel. Jedenfalls für den jungen Rolle. Der rasche Wechsel zwischen den Disziplinen reize ihn, sagt er. Rollentausch, schlagartig. Von den Brettern im Ring an das Brett mit den 64 Feldern. Die Titelverteidigung steht im Oktober in Serbien an. Noch sei unklar, ob Arminius antreten wird, sagt sein Vater. Denn das »echte« Boxen habe Vorrang.

Aber: Überstürzen wollen die Rolles nicht. Im Gegenteil. Systematisch sportlich aufbauen will der Vater den Sohn. Behutsam, »ohne Hauruckaktionen.« Das fordert auch der BDB. »Es gab harte Auflagen. Arminius musste sich allen medizinischen Tests unterziehen und vorboxen«, wurde dessen Präsident am Mittwoch in Bild zitiert. Ferner habe beim Profidebüt in der fränkischen Metropole neben Trainer und Vater auch ein Arzt in der Ringecke gestanden. Zur Sicherheit. Mehr noch, der Debütant darf nur zwei Profifights im Jahr absolvieren.
Dennoch, die ersten »Hater« kommen aus der Deckung. Einige sprechen von »Kinderarbeit«. Andere fragen, ob es »normal« sei, wenn sich Jugendliche »ohne Schutz auf den Kopf ballern.« Pro und kontra Kopfschutz, eine alte Debatte.
Davon abgesehen, was steht an? Ein Ringgefecht des Genius Arminius in den nächsten drei, vier Monaten, so Robert Rolle. In Berlin. Vor heimischer Kulisse. Für die Fanbase. Die wächst nämlich rasant. Noch so ein Superlativ.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.