Unmut beim Schwarzwälder Boten
Von Gudrun Giese
Die Konzentration der Presse geht in die nächste Runde. Diesmal soll es den Südwesten treffen. Dort will die Neue Pressegesellschaft (NPG), die unter anderem die Ulmer Südwest-Presse herausgibt, die Regionalzeitungen der Medienholding Süd übernehmen, zu denen die Stuttgarter Zeitung, die Stuttgarter Nachrichten sowie der Schwarzwälder Bote gehören.
»Im ersten Moment waren die Beschäftigten über diese, Ende Mai bekanntgewordene Neuigkeit geschockt«, sagt Uwe Kreft, im Verdi-Landesbezirk Baden-Württemberg für den Bereich Medien zuständig, am Mittwoch gegenüber jW. »Inzwischen sind wir gemeinsam in der Sondierungsphase, prüfen, wie viele Anteile von wem auf wen übergehen sollen und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.« Keine großen Erwartungen setzt die Gewerkschaft in die Entscheidung des Bundeskartellamtes, das bis Ende Juni die Übernahme prüft. Gründliches Vorgehen wäre dabei nötig, machte Verdi-Landesbezirksleiter Martin Gross klar: »Durch die angekündigte Übernahme würde sich die Konzentration in der baden-württembergischen Medienlandschaft dramatisch verschärfen.« Bisher seien mit der Medienholding Süd und der NPG zwei größere Unternehmen sowie einige kleinere eigenständige Medienhäuser in der Region präsent. Mit dem Einstieg der NPG in Stuttgart und Umgebung würde dieser Konzern dominant.
Rund 1.700 Beschäftigte hat die Medienholding Süd nach etlichen Fusionen der Vergangenheit noch. So wurden 2016 die Redaktionen der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten fusioniert, nachdem beide Blätter schon seit 1972 mit einer gemeinsamen Anzeigenabteilung gearbeitet hatten, was damals ein höchst lukratives Geschäft war, wie es in einem Beitrag der Kontext Wochenzeitung vom Mittwoch heißt. Generell seien in den zurückliegenden Jahren die Redaktionen sowohl der Medienholding Süd wie die der Südwest Presse immer weiter »durch etliche Sparrunden ausgepresst (worden) wie eine Zitrone«, so Uwe Kreft. Sie hätten es satt, mit immer weniger Personal ein wachsendes Quantum an Beiträgen für die gedruckten wie die digitalen Angebote liefern zu müssen. Mit Blick auf die Südwest-Presse der NPG hält Verdi fest, dass sich die Beschäftigten der Medienholding Süd nach der möglichen Übernahme nicht alles bieten lassen wollen. »Die Kolleginnen und Kollegen in beiden Häusern stehen für Qualitätsjournalismus. Aber auch für Engagement und Streikbereitschaft in eigener Sache.« Sie würden sich sowohl für die Tarifbezahlung als auch den Erhalt der Arbeitsplätze starkmachen.
Die geplante Übernahme soll keine komplette sein. Soweit bekannt, will die NPG 82 Prozent der Medienholding Süd, ihrerseits Tochter der Südwestdeutschen Medienholding (MHS) übernehmen. Ein Kaufpreis wurde bisher nicht genannt, und auch kommentieren wollte bisher niemand aus der NPG-Geschäftsleitung das Geschäft. Herbert Dachs und Carsten Groß, Geschäftsführer der MHS, hätten bei der Übermittlung der Übernahmenachricht an die Belegschaften laut Kontext Wochenzeitung vorgebracht, das Kartellamt habe ihnen untersagt, sich konkret zu äußern. Erwähnt worden sei nur der weitere Einbruch der Werbeeinnahmen, der allein aber kaum den Verkauf rechtfertigen kann. Entsprechend entsetzt hätten die Beschäftigten reagiert, die nach vier Sparrunden in zehn Jahren, nach Umgestaltungen und der zunehmenden Verlagerung von Print auf digital vieles gewohnt seien, aber nicht mit diesem Schritt gerechnet hätten. Erst vor wenigen Monaten habe es die letzte Sparrunde gegeben, verbunden mit der Ankündigung, 45 Stellen zu streichen und die Berichterstattung über Themen von landesweiter Relevanz zugunsten von mehr Beiträgen über lokal bedeutsame Ereignisse zu reduzieren. Dabei gebe es noch Redakteure in den Stuttgarter Zeitungen, so heißt es in dem Kontext-Beitrag »die sich erinnern, bei einer einst führenden Landeszeitung angefangen zu haben, und jetzt befürchten, im Zuge der Selbstverzwergung als Schreibpersonal eines Lokalblatts bei der Südwest-Presse zu landen«. Eine Entwicklung, die in vielen Medienhäusern bereits abgeschlossen ist.
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