Gegründet 1947 Freitag, 6. Juni 2025, Nr. 129
Die junge Welt wird von 3011 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 05.06.2025, Seite 6 / Ausland
Ukraine-Krieg

Zweifel an Kiews Version

Westliche Medien bestreiten Zahlen zu den am Sonntag zerstörten russischen Bombern. Neuer ukrainischer Angriff auf Krimbrücke
Von Reinhard Lauterbach
6.JPG
Zehn statt 41: Kiews Angaben zu zerstörten russischen Kampfflugzeugen scheinen stark übertrieben (Stepnoi, 4.6.2025)

Westliche Medien haben Zweifel an den ukrainischen Zahlen über die am Sonntag zerstörten oder beschädigten russischen Bomber angemeldet. Sowohl die Agentur Reuters als auch der US-Propagandasender Radio Liberty veröffentlichten zu Wochenbeginn Analysen aufgrund von kommerziellen Satellitenaufnahmen. Demnach wurden auf dem Stützpunkt Belaja nahe der sibirischen Stadt Irkutsk insgesamt sieben Flugzeuge zerstört, auf der Basis Olenja bei Murmansk weitere drei. Ukrainische Drohnenangriffe auf zwei weitere, näher zur Grenze gelegene Basen südlich und nordöstlich von Moskau wurden von russischer Seite offenbar erfolgreich abgewehrt. Die Ukraine hatte behauptet, 41 Flugzeuge und damit ein Drittel der strategischen Bomberflotte Russlands vernichtet zu haben. Dies scheint sich jetzt als deutlich übertrieben zu erweisen.

Das gilt wohl auch für ukrainische Meldungen über einen angeblich erfolgreichen Angriff auf die Krimbrücke bei Kertsch am Dienstag. Der Militärgeheimdienst erklärte, mit Hilfe mehrerer See- und Unterwasserdrohnen sei ein wichtiger Stützpfeiler der Brücke beschädigt worden. Bilder zur Bestätigung zeigen jedoch nur, wie mutmaßlich Drohnen in zur Sicherung gegen solche Angriffe verankerte Kähne einschlagen; die Explosionen scheinen außer Wellengang keine großen Folgen gehabt zu haben. Der Verkehr auf der Brücke wurde unterbrochen, nach einigen Stunden jedoch wieder freigegeben.

Im übrigen wurde inzwischen klar, dass sich die Ukraine für ihren Angriff ein mit internationalen Rüstungskontrollverträgen konformes russisches Verhalten zunutze gemacht hat. Der »New START«-Vertrag zwischen Russland und den USA fordert nämlich, dass strategische Bomber ungetarnt geparkt werden müssen, statt etwa in Bunkern, um eventuelle Bewegungen frühzeitig aus der Luft erkennen zu können. In den Stunden nach den Angriffen war viel über russische »Sorglosigkeit« vor allem auf dem mehrere tausend Kilometer von der Front entfernten Stützpunkt bei Irkutsk spekuliert worden. Experten wiesen allerdings darauf hin, dass die Vorwarnzeit angesichts der geringen Entfernung der vor Ort in Lkw versteckten Drohnen zu den Zielen sehr kurz und diese angesichts ihrer niedrigen Flughöhe kaum abzuwehren gewesen seien.

Unterdessen zeigt sich, dass Angriffe wie die vom Sonntag von der Ukraine offenbar langfristig geplant worden sind. Präsident Wolodimir Selenskij sprach von einem 18monatigen Vorlauf für die Aktion; die russischen Ermittlungen deuten jedoch auf eine erheblich längere Planung hin. So soll der in Donezk geborene Organisator der Angriffe bereits nach dem »Euromaidan« 2014 als angeblicher Arbeitsmigrant nach Russland eingeschleust worden sein und sich im Gebiet Tscheljabinsk mit Hilfe dortiger Verwandter eine Existenz als Fuhrunternehmer aufgebaut haben. Mindestens zwei Fahrzeuge dieser Spedition waren an den Angriffen beteiligt.

Russland hat Vergeltung für den Angriff auf die Luftwaffenbasen angekündigt. Der Vizechef des Sicherheitsrates, Expräsident Dmitri Medwedew, schrieb in sozialen Netzwerken, diese sei »unausweichlich«. Und auch in konservativen Kreisen in Großbritannien und den USA kommen offenbar Bedenken gegen diese eskalative Art der Kriegführung auf. Sowohl der ehemalige Trump-Berater Steve Bannon als auch die britische Boulevardzeitung Daily Mail warnten davor, dass Russland unter Berufung auf die strategische Bedeutung seiner Bomberflotte eines oder mehrere Ziele in der Ukraine mit taktischen Atombomben angreifen könnte. Was von der russischen Doktrin zum Einsatz von Atomwaffen gedeckt wäre. Dies könne niemand wollen, schrieb Bannon. Die Daily Mail zitierte einen ehemaligen Obersten der Royal Air Force: Ein Atomschlag gegen eine Stadt wie Kiew sei zwar sehr unwahrscheinlich, aber militärische Objekte oder auch ein Atomkraftwerk seien denkbare Ziele. Es werde aber niemanden im Westen geben, der bei einem solchen Angriff eine nukleare Antwort riskieren werde. Unabhängig von diesen Bedenken kündigte die britische Regierung am Dienstag an, die Ukraine mit mehreren hunderttausend Drohnen im Wert von 460 Millionen US-Dollar zu versorgen.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (5. Juni 2025 um 15:04 Uhr)
    Mehrere hunderttausend Drohnen aus dem Vereinigten Königreich? An das korrupte Regime Selenskij in Kiew? Wird dem eine große Hilfe sein, wenn seine Familie zu den Konten nach London umzieht. Das Argument der Einbürgerung des Kriegsverbrechers: Unsere Beziehung ist seit Jahren sehr eng und stark. Vielen Klardenkenden bereitete es viel Freude, dass die vorherrschenden bürgerlichen westlichen Massenmedien mitteilten, dass 41 Bomber der Luftverteidigung der Russländischen Föderation durch mehrere Angriffe eines oder mehrerer ukrainischer Geheimdienstagenturen zerstört wurden. Der Schaden wurde mit sieben Milliarden US-Dollar angegeben. Und wieder: Was gegen die Russen stimmt, stimmt immer! Alle Presseagenturen weltweit und auch in der BRD, der Tagesschau, im ARD-Teletext: Der Verlust liegt bei sieben Milliarden US-Dollar für 41 vom Kiewregime vernichtete Kriegsflugzeuge. 700 Millionen = 4 = wie viele US-DOLLAR kostet ein Russenbomber? Selbst mal zu diesem Verkaufspreis, unter dem diese Bomber niemals verkauft werden werden: Wenn ich ein Präsident der Ukraine wäre, wäre mir der Frieden wichtig. Oder: Ich bin der weltweit wichtigste Politiker/Ukrainer/Mensch, ziehe um die gesamte Welt und rette sie durch mich allein!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (4. Juni 2025 um 21:32 Uhr)
    Mir ist schleierhaft, weshalb Russland Atomwaffen für eine Vergeltungsaktion einsetzen sollte, »konventionelle« dürfte es genug haben. Die konservativen Kreise aus GB und USA sollten sich statt taktischem Geschwafel besser Gedanken darüber machen, wie die »nach-mir-die-Sintflut-Bankrotteure« aus Kiew aus dem Verkehr zu ziehen sind. Das ist halt das Problem von Leuten, die noch ein Stückchen mehr aus der Büchse der Pandora geholt haben.

Ähnliche:

  • Probe für den großen Tag: Russische Soldaten üben den Ablauf der...
    05.05.2025

    Druck auf Gäste steigt

    Siegesparade 9. Mai: Selenskij beschwört Gefahr für Teilnehmende und lehnt Waffenruhe um Feiertage weiter ab. Putin betont Stärke Russlands
  • Auf »Boxer«-Schützenpanzer bei Gefechtsübung mit scharfer Muniti...
    07.05.2024

    NATO: Volles Risiko

    Brüssel erwägt Kampftruppen für Ukraine, Scholz an der »Ostflanke«. Moskau reagiert mit Atomwaffenübung
  • Rauch über Rjasan nach einem ukrainischen Drohnenangriff (13.3.2...
    14.03.2024

    Atomare Rhetorik

    Ukraine versucht, russische Treibstoffproduktion zu lähmen. Russland laut Putin bereit für Atomkrieg

                                                                   junge Welt stärken: 1.000 Abos jetzt!