Finsteres Königreich
Von Jörg Tiedjen, Algeciras
Marokko ist nicht das »Königreich des Lichts«, wie eine offizielle Werbekampagne verkündet. Seine düsteren Seiten zeigen sich spätestens, wenn es um Menschenrechte geht. Das wurde am Sonnabend erneut deutlich, als 13 Aktivisten und Politiker aus Spanien und Frankreich an der Einreise mit der Fähre nach Tanger gehindert wurden. Sie wollten vor dem Gefängnis der marokkanischen Stadt Kénitra für die Freilassung der sahrauischen politischen Gefangenen demonstrieren. Eine Begründung für die Abschiebung gab es nicht – nur, dass Marokko ein »souveränes Land« sei.
Die Kundgebung in Kénitra war als Abschluss des »Marsches für die Freiheit« geplant, den die französische Aktivistin Claude Mangin-Asfari Ende März in Ivry-sur-Seine gestartet hatte. 3.000 Kilometer weit führte der Weg durch Frankreich und Spanien. Unterwegs gab es ein dichtes Programm, von dem sich jW selbst einen Eindruck verschaffte. Allein am Donnerstag wurden in Sevilla erst die Gewerkschaften Sindicato Andaluz de Trabajadores (SAT) und Comisiones Obreras (CCOO) besucht. Dann folgten die Kulturzentren »Casa Sahara« und »La Insumisa«.
Eine Schwierigkeit im Ringen um Öffentlichkeit brachte die Sekretärin der CCOO auf den Punkt: »Viele wissen noch nicht einmal mehr, wer Franco war. Wie sollen sie da den Westsahara-Konflikt kennen?« Zumal beides zusammenhängt. Denn die Besetzung großer Teile der alten spanischen Kolonie Westsahara durch Marokko begann in dem Moment, in dem der faschistische Diktator auf dem Sterbebett lag. Die Rechtslage ist allerdings eindeutig. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sie erst im Oktober bestätigt: Die Westsahara ist kein Teil Marokkos, wie Rabat behauptet. Die Westsahara-Befreiungsfront Polisario ist auch keine »Terrororganisation«, als die sie von Rabat denunziert wird. Sie ist vielmehr die anerkannte Vertreterin der Sahrauis. Wer von ihnen aber auf Unabhängigkeit besteht und in die Gewalt der Besatzungsmacht gerät, wird eingekerkert und gefoltert.
Das ist, was Naâma Asfari geschah, dem Ehemann der französischen Menschenrechtsaktivistin Claude Mangin-Asfari, der 2010 an der Organisation des Protestcamps von Gdeim Izik in der Westsahara beteiligt war. Um ihn und die anderen politischen Gefangenen zu befreien, hat Mangin-Asfari mit Hilfe ihrer Mitstreiterinnen Marokko mit Erfolg vor der UNO in Genf verklagt. 2023 wurde Rabat aufgefordert, die sahrauischen Gefangenen sofort freizulassen. Doch das Königreich missachtet den Entscheid.
Weil Mangin-Asfari nicht nachgibt, wurde sie mit einem Einreiseverbot belegt. Seit 2019 hat sie nur noch aus der Ferne Kontakt zu ihrem Mann, der in Kénitra gefangengehalten wird. Die französische Regierung steht derweil treu zu Marokko. Kaum war das EuGH-Urteil ergangen, reiste Präsident Emmanuel Macron nach Rabat und stellte sich ein weiteres Mal hinter die marokkanischen Ansprüche auf die Westsahara, was vor ihm schon US-Präsident Donald Trump am Ende seiner ersten Amtszeit sowie Spaniens Premierminister Pedro Sánchez getan hatten. Erst am Sonntag schwenkte mit Großbritannien eine weitere UN-Vetomacht auf diese Linie ein – obwohl London mit Blick auf Nordirland, die Falklandinseln oder Gibraltar stets das Selbstbestimmungsrecht der Völker hochhält, das nun wie schon im Fall Spaniens gerade eine sozialdemokratische Regierung für die Sahrauis ignoriert.
Dass John Bolton, Trumps früherer Nationaler Sicherheitsberater, Mitte vergangener Woche in der erzreaktionären Washington Times gefordert hat, die USA sollten ihre Haltung zur Westsahara überdenken, ist jedoch ein Fingerzeig, dass die Reihen auch unter Marokkos engsten Verbündeten nicht so geschlossen sind, wie Rabat es haben möchte. Zudem ist Claude Mangin-Asfaris Initiative nicht die einzige. Auch in Argentinien, Brasilien, Kuba, Mexiko, Timor Leste und sogar in Deutschland fanden und finden in diesen Tagen Konferenzen und Protestmärsche statt – für die Freilassung der sahrauischen Gefangenen, für die Freiheit der Westsahara.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- snapshot-photography/K.M.Krause21.05.2025
Warnungen in den Wind geschlagen
- Jörg Tiedjen01.04.2025
Ein langer Marsch
- David Canales / IMAGO22.02.2025
Gute und schlechte Gäste
Mehr aus: Schwerpunkt
-
»Das Leid der Sahrauis muss endlich Gehör finden«
vom 05.06.2025