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Aus: Ausgabe vom 04.06.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
OECD-Wirtschaftsausblick

Trump-Zölle plagen Welthandel

OECD beziffert Folgen des US-Protektionismus. Wirtschaft auch durch Relokalisierung globaler Lieferketten erschüttert
Von Jörg Kronauer
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Trumps Zollkrieg vernichtet weltweit mehr als sechs Prozent des Wirtschaftswachstums 2025 (Hafen von Qingdao in China)

Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump vernichtet mit ihrem Zollkrieg weltweit mehr als sechs Prozent des diesjährigen Wirtschaftswachstums. Dies geht aus dem aktuellen Wirtschaftsausblick der OECD hervor, den die Organisation – ein Zusammenschluss von 38 fast durchweg westlichen Industriestaaten – am Dienstag vorgelegt hat. Demnach wird die Weltwirtschaft in diesem Jahr nicht, wie zuvor prognostiziert, um 3,1 Prozent, sondern bloß um 2,9 Prozent wachsen. Auch 2026 werden anstatt der erhofften drei Prozent lediglich 2,9 Prozent Wachstum erreicht. Dafür wird die Inflation auf höhere Werte steigen als erwartet – rund 4,2 Prozent statt 3,7 Prozent in diesem, 3,2 Prozent statt 2,9 Prozent im nächsten Jahr. Die OECD führt das geringere globale Wachstum wie auch die höhere Inflation auf die Willkürzölle zurück, die Trump in den beinahe viereinhalb ersten Monaten seiner zweiten Amtszeit verhängt hat. Und es könnte noch schlimmer kommen. Die OECD-Berechnungen gehen vom Stand der Dinge Mitte Mai aus. Oktroyiert der US-Präsident weitere Zölle, hat man mit noch stärkerem Druck auf Wachstum und Inflation zu rechnen.

Grundsätzlich trifft die Verschlechterung der Lage beinahe sämtliche Staaten. »Wir sagen prinzipiell eine Herabstufung für alle voraus«, bestätigte OECD-Chefökonom Álvaro Pereira der BBC anlässlich der Vorstellung des Wirtschaftsausblicks. Am stärksten getroffen werden demnach die USA selbst und ihre größten Handelspartner – Kanada, Mexiko und China. Die OECD hat ihre Prognose für Chinas Wachstum im laufenden Jahr von 4,8 Prozent auf 4,7 Prozent gesenkt. Kanada darf nur noch mit einem Plus von einem Prozent rechnen, Mexiko nur mit gerade einmal 0,4 Prozent. Den Vereinigten Staaten sagt die OECD einen Einbruch von den ursprünglich erwarteten 2,2 Prozent auf nur noch 1,6 Prozent voraus. 2026 soll das Plus demnach noch weiter auf 1,5 Prozent sinken. Die US-Inflation schätzt die OECD für 2025 auf 3,2 Prozent. Mit Blick darauf griff Trump einmal mehr in die Propagandakiste und verkündete auf Truth Social: »Wegen der Zölle boomt unsere Wirtschaft!«

Dabei lauern jenseits der Trump-Zölle in den Schubladen westlicher Wirtschaftsstrategen noch weitere Instrumente, die der Weltwirtschaft ähnliche, womöglich noch größere Schäden zufügen könnten. Schon am Montag hatte die OECD eine Analyse vorgelegt, die sich mit einer allzu schnellen Relokalisierung der globalen Lieferketten beschäftigt – mit dem Streben des Westens also, möglichst schnell von Lieferungen aus China unabhängig zu werden, um im großen Kampf um die Verteidigung seiner schwindenden globalen Dominanz künftig ganz ohne Hemmungen zuschlagen zu können. Verfolge man dieses Ziel mit aller Macht, dann könnten der Welthandel um 18 Prozent und die Weltwirtschaftsleistung um rund fünf Prozent schrumpfen, warnt die OECD. China kommt im berechneten Szenario mit einem Minus bei der Wirtschaftsleistung von 2,6 Prozent davon. Besonders stark getroffen würden Staaten des Westens und Länder, die dieser im Machtkampf mit China umwirbt. Die USA müssten mit Einbußen bei ihrem Bruttoinlandsprodukt von 6,9 Prozent rechnen, Großbritannien von 12,2, Kanada von 13,1 Prozent. Die Länder Südostasiens wären mit Einbrüchen um bis zu 10,8 Prozent konfrontiert. Letztere bemühen sich allerdings schon jetzt, ihre Exporte von den USA weg zu diversifizieren.

Besonders schwach schneidet im OECD-Wirtschaftsausblick Deutschland ab – und dies, obwohl die Organisation der Bundesrepublik für dieses Jahr ein Wachstum von 0,4 Prozent zutraut; zuletzt hatte das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ein Minus von 0,2 Prozent prognostiziert. Dennoch erzielen in der OECD nur Norwegen (plus 0,3 Prozent) und Österreich (minus 0,3 Prozent) schlechtere Prognosen. Für 2026 gibt sich die Organisation optimistischer und hofft für Deutschland auf ein Plus von 1,2 Prozent: »Die relativ schnelle Bildung einer funktionsfähigen (!) Regierung sowie die Reform der Schuldenbremse haben die politische Unsicherheit verringert und das Investoren- und Konsumentenvertrauen verbessert«, spekulieren die OECD-Deutschland-Experten. Die neue Koalition darf nur nicht auf die Idee kommen, die Lieferketten schnell von China weg zu diversifizieren. Dann nämlich drohe laut OECD ein Minus von 5,1 Prozent.

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