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Aus: Ausgabe vom 04.06.2025, Seite 8 / Ansichten

Linker Israel-Versteher des Tages: Tony Wohlfarth

Von Nick Brauns
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Proisraelisch war bereits »Pro NRW«, für die Tony-Xaver Wohlfahrt (Fiedler) 2015 kandidierte

Für Tod und Hunger in Gaza gibt es nur einen Schuldigen: die Hamas, die »den gesamten Gazastreifen sich zur Beute und die dortige Bevölkerung zu Geiseln gemacht hat«. Das behauptet Tony Wohlfarth, Kreisvorstand der Partei Die Linke im thüringischen Ilm-Kreis, dieser Tage auf X.

Es werde »immer wieder vergessen, dass Israel permanent unter Beschuss steht und seit Staatsgründung sich de facto im Krieg befindet«, obwohl »Israelis und Juden« dort anders als Araber seit Jahrtausenden »ihre historischen Wurzeln« haben, bringt der Linke-Politiker viel Verständnis für die Besatzungsmacht auf. Bei der Herleitung aktueller Politik aus Blut-und-Boden-Mythen hat Tony-Xaver Fiedler, wie er früher hieß, Erfahrung. Als 20jähriger Jurastudent gehört er dem Bundesvorstand der »Republikaner« an, 2009 wechselt er in die faschistische Deutsche Volksunion, 2014 wird er Generalsekretär der proisraelischen Islamhasstruppe »Pro NRW«. Nach seinem Bruch mit den Rechten ein Jahr später lädt ihn die Linkspartei in seiner thüringischen Heimat 2019 zur Kandidatur in Arnstadt ein.

Wo Antisemitismus und Philosemitismus zwei Seiten einer Medaille darstellen, kann Wohlfahrt seinen früheren völkischen Nationalismus jetzt staatsräsonkonform mit hemmungsloser Israel-Solidarität ausleben. Als Linker ist er natürlich Antifaschist, wobei es für die Pflege eingeübter Feindbilder dienlich erscheint, die Faschisten in der muslimischen Welt und Moskau zu verorten. »Dass sowohl die Hamas, Hisbollah als auch das Putin-Regime glasklare faschistische Regime sind, wird ignoriert. Dabei offenbaren sich Teile der gesellschaftlichen Linken statt antifaschistisch als antisemitisch und antiamerikanisch«, klagt er über Linke, die das anders sehen. Doch »ich kenne etliche Genoss*innen, die mit mir auf einer Linie sind«. Dem lässt sich mit Blick auf die Linkspartei schwerlich widersprechen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (4. Juni 2025 um 11:22 Uhr)
    Es ist eine ständige Gefahr für jemanden, der immer linksherum läuft, dass er irgendwann rechts ankommen kann. Jedenfalls, wenn man kein anderes Prinzip hat, als »links« zu sein. Die Leute, die das als Kern politischer Standortbestimmung durchsetzten, die wussten, in welches Meer der Beliebigkeit sie ihre Partei führen wollten. Es zeigt sich immer wieder: Wer keinen festen Standpunkt hat, der schwankt wie ein Halm im Winde. Und wenn das Ganze schwankt, ist nicht verwunderlich, dass es Einzelne auch bis zur Unkenntlichkeit durchrütteln kann. Tony Wohlfarth ist dafür bei Weitem nicht das einzige schlechte Beispiel.

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