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Aus: Ausgabe vom 04.06.2025, Seite 8 / Inland
Friedensbewegung

»Wir wollen weder sterben, noch andere töten müssen«

Hessen: Kriegsgegner protestieren gegen Auftritt der Bundeswehr auf »Hessentag«. Ein Gespräch mit Luisa Reckord und Monika Bootz
Interview: Niki Uhlmann
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Auf dem diesjährigen »Hessentag« soll wieder »Kriegsgerät als Abenteuerspielplatz arrangiert« werden. Wie schaut das dann aus?

Luisa Reckord: Da sind Panzer und Jagdflieger ausgestellt, auf die Kinder raufklettern können. Dabei werden sie oder ihre Eltern von Bundeswehr-Soldaten in Gespräche verwickelt, was für ein toller Arbeitgeber die Bundeswehr sei. Ganze Schulklassen besuchen gemeinsam den Hessentag, der im Grunde ein Volksfest ist. Dort treten bekannte Künstler auf, zum Beispiel Ski Aggu oder Nina Chuba, die junge Menschen anziehen. Das nutzt die Bundeswehr aus und wirbt junge Menschen an – eine Normalisierung der Bundeswehr.

Monika Bootz: Ich zitiere einfach mal von der Bundeswehr-Seite zum Hessentag: »Tauche ein in eine Welt voller Action und Abenteuer, während du die hessischen Truppenteile der Bundeswehr hautnah erlebst.« Das richtet sich an Schüler ab der achten Klasse. Dafür werden Briefe an alle entsprechenden Schulen verschickt. Weiter heißt es: »Lerne mehr über die vielseitigen Aufgaben und Einsatzbereiche unserer Streitkräfte.« Es wird so getan, als sei Soldat ein ganz toller Beruf.

Was stört das Aktionsbündnis »Friedlicher Hessentag« daran?

L. R.: Die Militarisierung des Hessentags reiht sich in die aktuelle Entwicklung ein: Bundeswehr-Werbung, Jugendoffiziere an Schulen, neue Wehrpflicht und so weiter. Wir kritisieren, dass hierzulande für Kriege mobilisiert wird, dass die Bundeswehr erweitert wird zur größten Armee Europas, in der künftig junge Menschen als Kanonenfutter verheizt werden. Wir wollen in einer friedlichen Gesellschaft leben, weder sterben noch andere Menschen töten müssen. Deswegen setzen wir auf dem Hessentag ein Zeichen, dass die Bundeswehr kein normaler Arbeitgeber ist und keine Zukunftsperspektiven bietet.

M. B.: Unser Grundkonsens ist, dass wir mit Werbung für die Bundeswehr und der Rekrutierung Jugendlicher, selbst Minderjähriger, nicht einverstanden sind. Zumal die Bundesrepublik das UN-Abkommen gegen Kindersoldaten unterzeichnet hat.

Welche Rolle spielt dabei die hessische Landesverfassung?

M. B.: Eine große. Sie regelt in Paragraph 69, dass Kriege geächtet sind, und erklärt Völkerverständigung sowie Kriegsverhinderung als Ziele. Das ist aber sehr weit entfernt von der realen Politik des Hessischen Landtags. Deswegen fordern wir, diesen Paragraphen zu berücksichtigen und die Bundeswehr vom Hessentag wegzuhalten.

L. R.: An Schulen müsste mindestens der Beutelsbacher Konsens eingehalten werden. Aber dort gibt es oft kein Gegenangebot zur Militarisierung. Selbst Unterrichtsmaterialien stellen die Bundeswehr oder die Rüstungsindustrie bereit. Auf Jobmessen zeigt die Bundeswehr auch immer mehr Präsenz und macht sich die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher zunutze.

Wie genau werden Sie gegen den militarisierten »Hessentag« protestieren?

M. B.: Es ist fast unmöglich, auf dem Hessentag selbst präsent zu sein, weil die Stände lang im voraus vergeben werden. Darum legen wir den Fokus auf Samstag, den 14. Juni, an dem eine Demonstration und einige Kundgebungen stattfinden werden. Viele Organisationen werden Kurzbeiträge halten, auch darüber, dass die Bundesrepublik bereits an Kriegen beteiligt ist, dass Krieg das Klima zerstört, dass Militarisierung Verarmung bedeutet und die Rechtsentwicklung beschleunigt. Zudem werden viele friedenspolitisch engagierte Künstler auftreten. Sicherlich wird es auch kleinere Aktionen bei der Bundeswehr-Ausstellung auf dem Hessentag geben. Wir rechnen mit rund 400 Teilnehmern. Seit April organisieren wir in Bad Vilbel Infostände. Es gibt viele, die das ganz unmöglich finden. Es gibt aber auch etliche Stimmen, die gut finden, dass Kinder an den Krieg gewöhnt werden. In beiden Fällen haben sich gute Gespräche entwickelt.

Und nach dem »Hessentag«?

L. R.: Müssen wir relativ schnell den nächsten friedlichen Hessentag vorbereiten. Das ist der Fokus unseres Bündnisses.

Monika Bootz vertritt die »Wetterauer Aktion Frieden«, Luisa Reckord die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) im Aktionsbündnis »Friedlicher Hessentag«

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