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Aus: Ausgabe vom 04.06.2025, Seite 6 / Ausland
Großbritannien

Dem Atomkrieg näher

Großbritannien: Regierung verkündet verstärkte Aufrüstung. China und Russland als Gegner benannt
Von Christian Bunke
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Keir Starmer bei einem Besuch des Rüstungskonzerns BAE Systems in Glasgow am Montag

Großbritannien rüstet auf, und die gesamte Gesellschaft soll mitmachen. Das geht aus dem rund 140 Seiten starken »Strategic Defence Review« hervor, das die britische Regierung am Montag nachmittag veröffentlicht hat. Geplant ist der sogenannten Strategischen Verteidigungsüberprüfung zufolge die Aufstockung der britischen U-Boot-Flotte, der Ankauf atomwaffenfähiger F-35A-Kampfjets sowie die verstärkte wechselseitige Verschränkung von Rüstungsindustrie, zivilen Techfirmen und Startups mit dem Staat. Betont wird in dem Dokument auch die wichtige Rolle der Gewerkschaften, ohne die ein derartiger Prozess nicht möglich sei. Über die Einführung eines vorläufig freiwilligen »Schnupperjahres« für junge Menschen soll den Streitkräften zu einer höheren Zahl von Rekruten verholfen werden. Begründet wird all dies mit der Notwendigkeit, eine »zehnmal tödlichere« Armee zu schaffen, um Großbritannien für kommende Kriege mit Russland und China kriegsfähig zu machen.

Die Veröffentlichung des »Strategic Defence Review« verlief nicht ohne Irritationen. Denn die sozialdemokratische Regierung von Premierminister Keir Starmer inszenierte sie als gewaltiges Medienspektakel. Schon am Montag vormittag verkündete Starmer vor zum Zuhören verpflichteten Arbeitern einer Rüstungsfabrik in Schottland Eckpunkte des neuen Programms. Vor allem kündigte er den Bau von zwölf neuen nuklear betriebenen, aber mit konventionellen Waffen bestückten U-Booten an. Sie sollen die bestehende U-Boot-Flotte ersetzen und erweitern. Kritik folgte wenig später aus dem britischen Unterhaus. Der Sprecher der zweiten Kammer des Parlaments, Lindsay Hoyle, beschwerte sich am Nachmittag darüber, dass die Abgeordneten das Papier nicht zu lesen bekommen hätten, während Regierungsmitglieder Details bereits an Presse und Industrie weitergegeben hätten. Dies sei ein Verstoß gegen parlamentarische Gepflogenheiten.

Vom sozialdemokratischen Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Luke Pollard, kam zudem die Nachfrage, wie die Sunday Times vorab an die Information gelangt sei, dass Großbritannien atomwaffenfähige F-35A-Kampfjets von den USA kaufen wolle. »Welche Möglichkeiten werden Abgeordnete bekommen, um diesen geplanten Kauf zu begutachten?« fragte er weiter. Und, ob durch die neuen Anschaffungen die Hemmschwelle für den möglichen Beginn eines Atomkrieges sinken könne. Die britische Friedensorganisation »Campaign for Nuclear Disarmament« (CND) beantwortete letztere Frage in einer Stellungnahme am selben Tag unumwunden mit »ja«. Der geplante Kauf der neuen Kampfjets trage die Gefahr einer gefährlichen nuklearen Eskalation mit sich. Selbst die kleinste der von einer F-35A möglicherweise mitgeführten Atomwaffen könne schlagartig 4.000 Menschen töten, die größte 600.000 Menschen. Der anschließende nukleare Niederschlag komme noch hinzu.

Die Regierung hingegen behauptet, die Aufstockung des Atomwaffenarsenals würde die britische Sicherheit und Unabhängigkeit garantieren. Bislang könne Großbritannien Nuklearwaffen ausschließlich von U-Booten aus starten, eine Diversifizierung sei angeraten. Laut CND ist es genau umgekehrt. So seien die von den F-35-Kampfjets mitgeführten Atombomben US-amerikanischer Anfertigung, würden US-Kommandostrukturen unterliegen und außerdem in US-Luftwaffenstützpunkten auf britischem Boden gelagert. Großbritannien helfe den USA somit, zukünftig einen Nuklearkrieg durchführen zu können. Neben den großen Rüstungsprojekten schlägt das Strategiedokument außerdem eine Stärkung des militärisch-industriellen Komplexes vor, der bereits jetzt über 400.000 Arbeitsplätze garantiere. Nötig sei für die Kriegführung der Zukunft aber auch der Ausbau des Dual-Use-Bereichs. Dabei handelt es sich um Technologien, die neben zivilen Zwecken auch militärisch genutzt werden können. Unter anderem habe der Ukraine-Krieg die starke Bedeutung von Drohnen für die Führung eines Landkrieges gezeigt. Darin gelte es zukünftig zu investieren. Heißt es.

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