Merz zieht durch
Von Max Ongsiek
Dass die Grenzpolitik der Bundesrepublik am Montag vor dem Berliner Verwaltungsgericht eine Schlappe kassierte, hindert die Bundesregierung nicht daran, ihren verschärften Migrationskurs weiter durchzuziehen. Die sofortige Zurückweisung von drei Somaliern nach Polen Anfang Mai ohne sogenanntes Dublin-Verfahren war nicht rechtens gewesen. Dennoch gab sich Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) am Dienstag überzeugt: Die Zurückweisungen seien im »Einklang mit dem Recht«. Gleichentags kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf dem Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Berlin an, die verstärkten Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen fortzusetzen. Denn die öffentliche Sicherheit müsse geschützt und das Land vor einer »Überlastung« bewahrt werden. Der Juniorpartner SPD hielt sich hingegen mit Kommentaren zurück, pochte aber auf eine »rechtskonforme Umsetzung« der Koalitionsbeschlüsse, berichtete Reuters.
Tatsächlich will die Merz-Regierung der ihr unliebsamen richterlichen Entscheidung mittels politischem Manöver ausweichen: nämlich durch die freimütige Erweiterung der Liste sogenannter sicherer Herkunftsländer. Einen entsprechenden Gesetzentwurf möchte das Bundeskabinett noch am Mittwoch verabschieden, wie es laut Tagesspiegel aus Regierungskreisen hieß. Diese Marschrichtung hatte schon der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vorgegeben. Zwar postuliert das Koalitionspapier ein »weltoffenes« und »einwanderungsfreundliches« Deutschland. Das gilt allerdings nur für jene Migranten, die dem deutschen Kapital nützlich gemacht werden können. Darum heißt es dort, dass Algerien, Indien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Was man sich unter »sicher« vorzustellen hat, erklärt das Grundgesetz in Artikel 16 a. Nämlich, dass Menschen in eben jenen Ländern weder politisch verfolgt noch unmenschlich oder erniedrigend bestraft oder behandelt werden dürfen. Die Bundesregierung, die so manch autokratisches Regime als Wertepartner hofiert, erklärt diese nunmehr zu Schutzräumen, wohin abgeschoben werden könne, wer von dort geflohen ist. Vermeintliche illegale Migration bekämpft man eben am konsequentesten mit illegalen staatlichen Mitteln.
Umgesetzt werden soll dieser Gesetzentwurf am Parlament vorbei, nämlich »durch Rechtsverordnung der Bundesregierung«. Denn anders als ein formales Gesetz müssen solche Verordnungen weder im Bundestag noch im Bundesrat zwingend beraten und beschlossen werden, wie die ARD am Dienstag wusste. Außerdem entgeht die Koalition aus Union und SPD so einer möglichen Blockade durch die Landesregierungen mit grüner Beteiligung, wie LTO ausführte. Ein entsprechender Widerstand von Bündnis 90/Die Grünen sei nicht unwahrscheinlich, reagierten selbige doch empört, die Partei habe immer vor einem »nationalen Alleingang« gewarnt, der nicht mit dem EU-Recht vereinbar sei, wie die Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, erklärte.
Die rassistische Politik der Merz-Regierung, die im Koalitionsvertrag noch schönfärberisch mit Floskeln wie »Migration ordnen« oder »irreguläre Migration wirksam zurückdrängen« umschrieben wurde, erhält von der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke eine klare Absage. So erklärte Clara Bünger, Flucht- und Rechtspolitikerin der Linken im Bundestag, in einer am Montag veröffentlichten Pressemitteilung: Das »Ziel« der Merz-Regierung sei schließlich, »ein Asylrecht zweiter Klasse zu schaffen und Menschen schnellstmöglich abzuschieben – ganz unabhängig davon, wie sicher die Herkunftsländer tatsächlich sind«. Das Konzept »angeblich sicherer Herkunftsstaaten« sei schon immer inakzeptabel gewesen. Tatsächlich lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in der Regel Asylanträge von Menschen, die aus den als sichere Herkunftstaaten eingeordneten Ländern kommen, als offensichtlich unbegründet ab.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Kay Nietfeld/dpa18.09.2024
Volle (Rücken-)Deckung
- Kay Nietfeld/dpa06.02.2024
Gratismut im Kanzleramt
- Jens Büttner/dpa-Zentralbild11.10.2018
Im Slalom durch die Stadt
Regio:
Mehr aus: Inland
-
»Denen unten wird nichts zum Leben gelassen«
vom 04.06.2025 -
Deutschland schlachtet mit
vom 04.06.2025 -
Säbelrasseln auf der Ostsee
vom 04.06.2025 -
Volle Dröhnung
vom 04.06.2025 -
Wäschereibeschäftigte im Warnstreik
vom 04.06.2025 -
»Wir wollen weder sterben, noch andere töten müssen«
vom 04.06.2025