Säbelrasseln auf der Ostsee
Von Philip Tassev
Es wird eng auf der Ostsee, denn das NATO-Manöver »Baltic Operations« steht mal wieder an. Schon sammeln sich die Kriegsschiffe des Nordatlantikpakts im Rostocker Hafen, am Donnerstag sollen sie – medienwirksam inszeniert – auslaufen. Der NDR hat angekündigt, einen Livesteam einzurichten, damit Technikbegeisterte und Marinefreunde dabei sein können, wenn die Pötte in See stechen. Auch so wird das Militärische normalisiert.
»Baltic Operations«, kurz: Baltops, ist der Bundeswehr zufolge das wichtigste regelmäßig stattfindende Marinemanöver der NATO in der Ostsee. Die Kriegsübung wurde zuerst 1971 abgehalten, als ein US-Flugzeugträgerverband 20 Seemeilen vor der sowjetischen Küste provozierte, um »seine Fähigkeiten in Sichtweite der UdSSR zu demonstrieren«. Wurden in der Vergangenheit meist skandinavische Häfen als Sammelpunkte genutzt, startet Baltops in diesem Jahr erstmals in Rostock. Das soll auch die gestiegene strategische Bedeutung der Hansestadt in den Plänen der NATO verdeutlichen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte Ende Oktober 2024 in Rostock eine neue Einsatzzentrale namens »Commander Taskforce Baltic« eingeweiht, von wo aus das Manöver koordiniert wird.
Auf über 50 Schiffen und Booten werden rund 9.000 Soldaten bis zum 20. Juni die ganze Palette der modernen Seekriegführung trainieren: Amphibische Landungsoperationen, U-Boot-Bekämpfung, Flugabwehr, Minenräumung, Tauchgänge, »zahlreiche« Schießübungen und der Einsatz von Über- und Unterwasserdrohnen stehen auf dem zweiwöchigen Programm. Der deutsche Beitrag besteht unter anderem aus zwei Korvetten, einer Fregatte, dem Versorgungsschiff »Frankfurt am Main« und einem Aufklärungsflugzeug. Insgesamt sind die Kriegsmarinen von 17 NATO-Staaten beteiligt. Neben den USA als Führungsmacht und der BRD als »Gastgeber« sind das Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Niederlande und Belgien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland, Frankreich, Italien und Portugal, Großbritannien und die Türkei.
Die Kriegsübung ist geeignet, die ohnehin angespannte Lage in der Ostsee weiter zu verschärfen. Denn es besteht die reale Gefahr eines Zusammentreffens mit der russischen Baltischen Flotte, die ebenfalls seit einigen Tagen Manöver mit über 20 Kriegsschiffen durchführt. Trotzdem will die Bundeswehr Baltops nicht als gegen Moskau gerichtet verstanden wissen. Auf der militäreigenen Webseite wird ausdrücklich verneint, dass in der Ostsee der Krieg gegen Russland geübt wird. Die NATO strebe »keine Konfrontation an«. Die »von den Alliierten geführten Übungen« richteten sich angeblich »nicht gegen ein bestimmtes Land«. Das Militärbündnis werde »alle seine Partner gegen jede militärische Bedrohung verteidigen – unabhängig vom Entstehen dieser Bedrohung«. Das hielt aber den Inspekteur der deutschen Marine, Admiral Jan Christian Kaack, nicht davon ab, im Rahmen der Vorstellung des neuen maritimen Aufrüstungsprogramms »Kurs Marine« von zunehmender russischer Aggression in der Ostsee zu sprechen und die Versenkung des russischen Raketenkreuzers »Moskwa« durch ukrainische Marschflugkörper 2022 im Schwarzen Meer gegenüber der FAZ als »Antriebsfeder für uns« zu loben.
Für den 5. Juni – wenn die NATO-Schiffe aus Rostock auslaufen – warnt die Marine Wassersportler und Freizeitsegler davor, der Flottille zu nahe zu kommen. Doch was tun, wenn das Militär von sich aus die Nähe sucht? So geschehen einem Leser, der jW berichtete, wie er, aus Kiel kommend, am 29. Mai unfreiwillig Teil einer Kriegsübung wurde, als das Passagierschiff »Victoria Seaways« vor der Einfahrt in den litauischen Hafen von Klaipėda ohne Vorwarnung zu Trainingszwecken von Soldaten mit Hubschraubern und Schlauchbooten geentert wurde.
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Leserbrief von Kevin P. aus Öhringen (5. Juni 2025 um 01:18 Uhr)»Denn es besteht die reale Gefahr eines Zusammentreffens mit der russischen Baltischen Flotte, die ebenfalls seit einigen Tagen Manöver mit über 20 Kriegsschiffen durchführt. Trotzdem will die Bundeswehr Baltops nicht als gegen Moskau gerichtet verstanden wissen.« Es bestand seit langem die Übereinkunft, die NATO übe im Juni und Russland im Juli (zum »Tag der Flotte« in St. Petersburg). Die recht kurzfristig angekündigte (27. Mai) vorverlegte Übung Russlands ist nicht weniger Muskelspielen lassen als das Schauspiel der NATO. Ich sorge mich weniger um den guten Willen der Bundeswehr, als um die allzu trotzige Haltung Russlands in diesen Zeiten. Man stellt die NATO unnötigerweise vor die Wahl: »Entweder ihr blast eure geplante Übung ab, denn wir sind jetzt hier, oder wir werfen euch eine außerordentliche Provokation vor.«
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Leserbrief von Wolfgang Ackermann aus Bergen (Norwegen) (4. Juni 2025 um 10:04 Uhr)Die »von den Alliierten geführten Übungen« richteten sich angeblich »nicht gegen ein bestimmtes Land«. Das Militärbündnis werde »alle seine Partner gegen jede militärische Bedrohung verteidigen – unabhängig vom Entstehen dieser Bedrohung«. Aber wie positionieren sich dann Schweden, Norwegen, Finnland, die BRD u.a. NATO-Staaten, wenn der NATO-Partner USA unter Trump sein Begehr der von Dänemark verwalteten Insel Grönland in die Praxis umsetzt? Wer verteidigt von den NATO-Partnern dann Dänemark gegen die militärische Bedrohung durch die USA? Und auch in Hinsicht auf den NATO-Partner Kanada hat ja bekanntlich die USA sein Interesse auf Einverleibung schon bekundet. Wer verteidigt dann das militärisch bedrohte Kanada und wer steht auf der Seite des Angreifers USA? Spaltet sich die NATO oder werden alle zugleich in einem Angreifer und Verteidiger?! Auge um Auge - Zahn um Zahn, Jeder gegen Jeden!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (3. Juni 2025 um 22:20 Uhr)Erinnern wir uns - die Ostsee war einmal das »Meer des Friedens« - eine große Errungenschaft von Ländern, die sich sowohl diesseits als auch jenseits des »Eisernen Vorhangs« befanden. Doch nun verkommt dieses Binnenmeer zur Binnensee der NATO. Nur noch geringe Uferbereiche sind nicht von der NATO beherrscht. Und da soll »BaltOps« keine Drohung gegen Russland sein? Denken die NATO-Führungskommandos, dass diejenigen, die wirklichen Frieden wollen, blind sind? Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Säbelrasseln zur See keine Bedrohung für Russland darstellt. Wo ist sonst der Gegner? Doch in Finnland oder in Schweden, die erst vor relativ kurzer Zeit NATO-Mitglied wurden? Nein, es geht um die alte ostpreussische Stadt Königsberg, heute Kaliningrad, die den NATO-Militärs und ihren politischen Vortänzern ein Dorn im Auge ist. Es geht um den Zugang zu internationalen Seegewässern von St. Petersburg und den umliegenden Häfen aus - die sollen doch nach der Militärdoktrin der NATO von internationalen Handelswegen abgeschnitten werden. Dafür legt man auch mal eine große Flotte von waffenstarrenden Kriegsschiffen in die Meerengen am finnischen und bottnischen Meerbusen - genau an den Engstellen, die für die russische Handelsschifffahrt wichtig sind. Und mal sehen, welche Versorgungsleitung dieses mal dran glauben muss - beim letzten Mal war es Nordstream. Vielleicht sollten die deutschen Yacht-Verleiher schon mal genau schauen, an wen sie ihre Boote rausgeben...
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