Angriff der Miethaie
Von Max Grigutsch
Sie heißen Blackrock, Carlyle, Goldman Sachs – es ist das »Who’s Who« der Vertreter des Finanzkapitals. So jedenfalls vermarktet sich die aktuell in Berlin stattfindende »Superreturn«-Konferenz, deren Teilnehmer eigenen Angaben nach mehr als 50 Billionen US-Dollar kontrollieren. Diese sollen profitabel in den Kapitalkreislauf eingebracht werden. Schnelle Rendite wird im Pflege- und Gesundheitssektor, aber auch auf dem Wohnungsmarkt versprochen. Zu diesem Zweck versammelt sich am Mittwoch die Immobilienlobby mit der deutschen Berufspolitik zum »Tag der Immobilienwirtschaft« im Friedrichstadt-Palast. Das Bündnis gegen Mietenwahnsinn ruft zum Protest auf.
Den Auftakt machte am Dienstag eine Kundgebung vor dem Berliner Intercontinental-Hotel, wo sich die Geldsäcke der »Superreturn« eingenistet haben. Die zu der Messe angereisten Teilnehmer – laut Veranstalter mehr als 4.500 Finanzinvestoren – haben eins gemeinsam: Sie sind eine »Ungleichheitsmaschine«, sagte Jorim Gerrard von der NGO »Finanzwende« am Montag vor Journalisten. »Während der Geldbeutel bei den einen immer leerer wird, wird er bei den anderen immer voller«, führte er aus.
Geht es bei der »Superreturn« eher »ums Deal-Machen«, so Gerrard, sollen am Mittwoch die Rahmenbedingungen für Geldmacherei mit Wohnraum diskutiert werden. Entsprechend trifft der Bundeskanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) auf Jan-Hendrik Goldbeck, Oberhaupt des gleichnamigen Bauunternehmens, Bauministerin Verena Hubertz (SPD) auf Vonovia-Chef Rolf Buch und der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak auf Buwog-Chefin Eva Weiß.
Aus Sicht der Miethaie dürfte das der Vorbereitung eines Angriffs dienen. Denn der »hohe Kaufpreis« für Immobilien in beliebten Städten sorge dafür, dass »lukrative Renditen« über dem Niveau der zehnjährigen Bundesanleihe – derzeit 2,58 Prozent – immer schwerer zu erzielen seien, erklärten »Experten« des Portals »Immoheld« am Dienstag im Handelsblatt. Den Private-Equity-Kapitalisten der »Superreturn«, die sogar über zehn Prozent Rendite pro Jahr erwarten, wird das nicht reichen. Hoffnung setze man auf die milliardenschweren Kreditermächtigungen der Bundesregierung: »Hier können Investoren profitieren«, sagte Jannick Hunecke, Vorstand der Deutschen Beteiligungs-AG, dem Blatt.
Man erinnere sich, dass ein voller Geldbeutel des einen ein leerer des anderen ist. Das zeigt sich exemplarisch am Ballungsraum Berlin, wo 15 Prozent des Wohnraums im Besitz börsennotierter Firmen sind, wusste Franz Michel vom Deutschen Mieterbund am Montag. Das führe zu drastischen Mieterhöhungen und explodierenden Verwaltungsgebühren über Drittfirmen, beanstandete er. Mietbegrenzungen würden systematisch umgangen. Erst kürzlich offenbarte der »Wohnmarktreport Berlin 2025«, dass die Hauptstadtmieten 2024 im Schnitt um zwölf Prozent gestiegen sind. Angesichts dessen dürfte sich auch die Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029 als kosmetischer Eingriff entpuppen.
Wie Bauministerin Hubertz Ende Mai im ARD-»Morgenmagazin« verkündete, setze sie auf »bauen, bauen, bauen«; das benötigte Kapital soll mitunter am Mittwoch mobilisiert werden. »Wie jedes Jahr werden auch 2025 wieder Minister*innen und der Kanzler erzählen, die Wohnkrise sei nur mit der Privatwirtschaft zu lösen«, kommentierte Kim Meyer vom Bündnis gegen Mietenwahnsinn am Dienstag gegenüber junge Welt. Aber genau diese habe die Krise zusammen mit der Politik verursacht, so Meyer weiter. Klar ist, wer die Wohnungskrise mit Investitionen in Privateigentum lösen will, fordert die Quadratur des Kreises.
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Leserbrief von Christian Helms aus Dresden (5. Juni 2025 um 15:53 Uhr)In dankenswerter Weise veröffentlicht die jW regelmäßig Beiträge zum Wohnungsproblem. Wie es anders gehen könnte, zeigt Wohnungsbaupolitik vor hundert Jahren in Deutschland. Bei einer Einwohnerzahl von etwa 62 Millionen fehlten um 1920 eine Million Wohnungen. Mietpreisbindung, Kündigungsschutz und Kapitalmangel boten keinen Anreiz für private Investitionen. Doch die Kommunen konnten durch eine umsichtige Baulandpolitik Bauland zur Verfügung stellen. Finanzielle Förderungen kamen hinzu. Vor allem aus der Hauszinssteuer. Erhoben wurde sie von den Hausbesitzern, deren Hypotheken- und Kreditschulden die Inflation getilgt hatte. Bis zu 40 Prozent der Baukosten wurden allein durch sie finanziert. In den besten Jahren – 1928, 1929, 1930 – wurden so jeweils 300.000 Wohnungen errichtet. Zur Hälfte durch die öffentliche Hand und gemeinnützige Unternehmen. Zu erschwinglichen Mieten, da gemeinwohlorientiert und nicht profitmaximiert. In allen deutschen Großstädten entstanden noch heute beliebte Wohnanlagen. Bereitstellung von Bauland aus öffentlichem Besitz und Realisierung durch gemeinnützige Bauträger wären auch heute noch vorstellbar. Und die Investoren, die durch Subventionen, Fördermittel und Steuererleichterungen auf Kosten der Allgemeinheit Vorteile erlangt haben, sollten einen prozentualen Anteil ihrer Mietsteigerungen der Allgemeinheit zurückgeben. Mittel, die wiederum für den Wohnungsbau eingesetzt werden könnten. In frischer Erinnerung der revolutionären Ereignisse nach dem Ersten Weltkrieg saß den herrschenden Eliten noch die Angst im Nacken. Damals wie heute sind soziale Errungenschaften eine Frage der Machtverhältnisse.
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