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Aus: Ausgabe vom 03.06.2025, Seite 6 / Ausland
Türkei-PKK

Dämpfer für Friedensprozess

Türkei: Strafvollzugsreform lässt kurdische Forderungen außen vor – aber Opposition zunehmend geeint
Von Tim Krüger
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Für den Frieden: Anhängerinnen der Dem-Partei demonstrieren am 31. Mai in Diyarbakır

Die linke Dem-Partei sieht es als »verpasste Chance«: Die am Sonntag vom Justizausschuss im türkischen Parlament gebilligte Reform des Strafvollzugs war zuvor als ein erster möglicher rechtlicher Schritt im aktuellen Dialogprozess zwischen der kurdischen Bewegung und der Regierung in Ankara gewertet worden. In den vergangenen zwei Wochen hatte es intensive Gespräche zwischen der unter Kurden verankerten Dem-Partei sowohl mit der Opposition als auch mit der Regierung gegeben. Darin hatte die Dem insbesondere auf eine Reform des Terrorparagraphen, ein Ende der Zwangsverwaltungen sowie die Entlassung inhaftierter Politiker gedrungen.

In dem Entwurf, den die regierende AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Donnerstag schließlich präsentierte und der diese Woche im Parlament debattiert werden soll, ist von diesen Punkten nichts mehr zu finden. Einzig die Möglichkeit für alte und kranken Gefangene ihre Haftstrafe im Hausarrest zu verbüßen, scheint von den Vorschlägen übrig geblieben zu sein. Der kurdische Politikveteran Ahmet Türk erklärte in einer ersten Reaktion, dass das Gesetz der Hoffnung auf eine türkisch-kurdische Aussöhnung schade. Es enthalte nichts, was einen Friedensprozess unterstützen würde, erklärte er am Sonntag auf einer Podiumsdiskussion in Mardin, unweit der syrischen Grenze.

Zudem pausiert das türkische Parlament während des am Freitag beginnenden islamischen Opferfestes und am 1. Juli beginnt die dreimonatige parlamentarische Sommerpause. Sollten bis dahin keine substantiellen Veränderungen erfolgen, stehe der Prozess ernsthaft auf der Kippe, warnte der Menschenrechtsanwalt und Dem-Politiker Öztürk Türkdoğan gegenüber der kurdischen Nachrichtenagentur ANF. Einen konkreten Zeitplan für weitere Schritte gebe es nicht.

Ein nächster Schritt könnte allerdings die Einsetzung einer parlamentarischen Kommission sein, die den Prozess, der bislang zumeist in bilateralen Gesprächen der Parteien untereinander und hinter geschlossenen Türen lief, im Parlament fortführen soll. Am Montag erklärte die Dem-Kovorsitzende Tülay Hatimoğulları, man habe vom Chef der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahçeli, erfahren, dass Erdoğan eine solche in den kommenden Tagen einsetzen werde. Die Zusammensetzung ist dabei noch unklar. Bahçeli hatte ursprünglich vorgeschlagen, 100 Abgeordnete aus allen im Parlament vertretenen Parteien zusammenzurufen. Ein Vorschlag, der von der Opposition als ineffizient kritisiert wurde. Unklar ist auch, wie die Kommission arbeiten soll und ob sie ihre Arbeit auch während der Sommerpause weiterführen kann.

Die Regierung aus AKP und MHP könnte dahingehend auch unter Zugzwang geraten, wenn sich mit der Dem-Partei und der CHP die beiden größten Oppositionsparteien einander weiter annähern. So kritisierte die Dem vergangene Woche die Festnahmen weiterer CHP-Politiker im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den festgenommenen Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu scharf. In einer Stellungnahme sprach sie von einem »Belagerungszustand« gegenüber oppositionellen Gemeinden, der den demokratischen Raum in der Türkei weiter verenge. Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel unterstützte wiederum die verschiedenen Vorschläge der Dem-Partei für eine Verfassungsreform, die derzeit von der Regierung vorangetrieben wird. Es brauche die Garantie für Unterricht in der Muttersprache und eine »umfassende Definition der Staatsbürgerschaft«.

Derweil bleibt die Frage der Entwaffnung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unbeantwortet. In diesem Punkt setzt die Türkei weiter auf eine direkte Konfrontation. Trotz eines einseitigen Waffenstillstandes, den die PKK Anfang März verkündet hatte, werden weiter beinahe täglich Angriffe in der Autonomen Region im Nordirak vermeldet. Dabei kommt es auch immer wieder zu Todesopfern. Am Montag gab die PKK den Tod einer deutschen Guerillakämpferin bekannt. Demnach wurde die aus Hamburg stammende Kelly Freygang – Kampfname Tîjda Zagros – bei einem Drohnenangriff am 29. April in der seit Jahren umkämpften Zap-Region getötet. »Wir geben unser Wort, dass wir die Träume, für die sie ihr Leben gab, verwirklichen werden«, versprechen die Volksverteidigungskräfte in ihrem Nachruf.

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