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Aus: Ausgabe vom 03.06.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Zionismus

»Jüdische Volksgenossen«

»Betar Germany« unterhält Verbindungen zur AfD und kokettiert mit völkischer Ideologie
Von Susann Witt-Stahl
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Anhängerin von »Betar« während eines Protestes rechter Zionisten gegen eine palästinasolidarische Demonstration in Washington (25.4.2025)

Zionistische Ultrarechte wollen auch in Deutschland israelische Zustände herstellen. Im April demonstrierte eine mit Shirts der kahanistischen »Kach« und der IDF bekleidete Gruppe in Berlin für die Abschiebung palästinasolidarischer Migranten. »Betar Germany«, aus deren Umfeld sie mutmaßlich stammt, tritt mit dem Schlachtruf »Free Germany from Free Palestine!« auf. Sie fordern lautstark, »Hamasniks« – gemeint sind Muslime, Linke und die Friedensbewegung – müssen »dezimiert« werden, »Flughäfen statt leere Worte! Polizeihundertschaften statt ›Solidarität‹!« Die Jabotinsky-Jünger, darunter Kahane-Fans und IDF-Veteranen, hielten im September 2024 ihr erstes Treffen als »Betar Germany« in der Bundesrepublik ab.

EDA – ein Magazin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) im Zentralrat der Juden – berichtet von rassistischen Entgleisungen in der Whats-App-»Jewish debate group (uncensored)«, aus der »Betar Germany« entstanden sein und der auch Artur Abramowitsch, Bundesvorsitzender der »Juden in der AfD«, angehört haben soll. Die in diesem Milieu verwendete Anrede »jüdischer Volksgenosse« und die Vokabel »Untermensch« für jüdische Kommunisten, die Verharmlosungen des genuin deutschen Antisemitismus und Tiraden gegen »Schuldkult« indizieren, dass »Betar Germany« einen zionistischen Faschismus mit völkischen und anderen nazistischen Elementen anstrebt.

Mitgründer von »Betar Germany« ist ein Mitarbeiter des AfD-nahen Krawallportals Nius von Ex-Bild-Chef Julian Reichelt: Amir Makatov, ein ehemaliger »Antideutscher«, der unter dem Namen »Morgenthau« auftritt, trommelt dort seit 2023 gegen »Abschiebungssaboteure« und »gefährliche linke Ideologie« im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Den »marxistischen Sozialismus« und posthum die DDR als Berater »bei arabischen Vernichtungsfeldzügen gegen Israel« mit Aussicht auf einen »zweiten Holocaust« hat er zum Oberfeind erklärt. Für den Neonazi Denis »White Rex« Kapustin, Anführer des für die Ukraine kämpfenden »Russischen Freiwilligenkorps«, hingegen hat Makatov nur Bewunderung übrig. Schließlich betrachtet Kapustin Israel als »Vorbild für jeden Nationalstaat in Wehrhaftigkeit und der Liebe zur Remigration«.

Kompromittierend für das zionistische Establishment der jüdischen Gemeinschaft: Makatov war drei Jahre Schatzmeister des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA), das mit Unterstützung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin gegründet wurde und mit Steuermitteln gefördert wird (im Juni 2024 ist er zurückgetreten). Nicht das einzige Problem: Hanna Veiler, bis vor kurzem Vorsitzende der JSUD, beklagte in einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen rechte Infiltrationsversuche und Radikalisierungstendenzen im Umfeld ihres Verbandes. Dieser hat sich von »Betar Germany« öffentlich distanziert, und Veiler hofft, dass der Vorstand »diese Brandmauer aufrechterhalten« kann. Eine Mission impossible – JSUD und der Zentralrat haben sie selbst eingerissen durch ihre bedingungslose Unterstützung einer israelischen Regierung, für die »Betar« als verlängerter Arm fungiert.

Als Botschafter genozidaler Großisraelpolitik in Deutschland erhalten sie Rückendeckung von namhaften Ultras im Heiligen Land, die mit der AfD und Neuen Rechten flirten. Netanjahus Bruder Iddo gratulierte zur Gründung von »Beitar Germany« und wünschte sich von ihnen »Stärkung des Staates Israel, auch durch Alija« (Aufstieg durch Einwanderung, jW). Das Verhältnis von »Betar Germany« zur World Zionist Organisation (WZO) ist noch unklar. Mittlerweile gelöschte Fotos, die im Januar 2025 bei einem Treffen in Amsterdam aufgenommen worden sein sollen (wo ihre Anhänger zwei Monate vorher bei den Krawallen von Maccabi-Tel-Aviv-Hools mitgemischt haben), zeigen Anführer von ihnen beim warmen Händedruck mit dem WZO-Vorsitzenden und »Betar Israel«-Mitglied Yaakov Hagoel.

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