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Aus: Ausgabe vom 03.06.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Zionismus

»Get a gun and learn to fight!«

Zionismus: »Betar« und ihre faschistischen Verbündeten wollen mit »allen nötigen Mitteln« gegen die internationale Palästina-Solidarität vorgehen
Von Susann Witt-Stahl
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»Betar«-Mitglieder besetzten am 18. Februar 1976 das Büro der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS in New York

Die erschütternden Zahlen getöteter Säuglinge in Gaza kommentierte »Betar« mit den Worten »Nicht genug«. Die rechtszionistische Organisation feiert die Zerstörung und ethnische Säuberung Gazas. Besonders in den USA gilt: Wo »Free Palestine!« und ein Ende des Massenschlachtens der israelischen Armee verlangt wird, tauchen »Betarim« auf, grölen Hassparolen der nationalreligiösen Siedlerbewegung und traktieren palästinasolidarische Demonstranten mit Fäusten, Knüppeln und Pfefferspray. Im Januar 2025 unterbrachen ihre Anhänger in New York City sogar eine Mahnwache zum ersten Todestag des von israelischen Soldaten erschossenen Kindes Hind Rajab.

Seit Donald Trump Präsident ist und die Verfügung zur Bekämpfung von Kritikern der israelischen Regierung mit dem irreführenden Titel »Additional Measures to Combat Anti-Semitism« unterzeichnet hat, engagiert sich »Betar US« intensiv für die Massenabschiebung von unliebsamen arabischstämmigen Migranten. Dabei agieren sie gemeinsam mit Spionage- und Überwachungsnetzwerken, die Kopfgelder ausschreiben, wie dem von einem Techunternehmer in Florida finanzierten Shirion Collective. So übergeben sie den Einwanderungsbehörden regelmäßig schwarze Listen mit Namen ausländischer Studenten, die sie verdächtigen, propalästinensisch ausgerichtet zu sein; bekannt wurde der Fall Mahmoud Khalil mit ständigem Wohnsitz in den USA.

Journalisten, die kritisch über »Betars« Straßenterror berichten, werden als »getarnte Dschihadisten« denunziert und ihnen wird angedroht, dass ihnen das Gleiche widerfahren werde wie den palästinensischen Reportern, die in Gaza von den israelischen Streitkräften umgebracht wurden. Nachdem der Mossad im Libanon bei einer Aktion gegen die Hisbollah Tausende von Pagern zur Explosion gebracht und viele Menschen getötet hatte, versprach »Betar« jedem eine Prämie von 1.800 US-Dollar, der der palästinensischen Aktivistin Nerdeen Kiswani so ein Gerät überreicht. Der Politikwissenschaftler Norman Finkelstein, ein scharfer Kritiker israelischer Besatzungspolitik, bekam im Februar einen Pager in seine Jackentasche geschoben, als er in New York an einer Ampel wartete.

Jüdische Linke und Linksliberale finden sich ganz oben in »Beitars« Hass-Ranking. Der Autor Peter Beinart wird als »Verräter« angeprangert, die Komikerin Katie Halper als »Kapo«, »Betar« hat ihr, wie vielen anderen, die Einreise nach Israel »verboten«. Selbst die netanjahuhörige und antimuslimisch ausgerichtete Anti-Defamation League ist in ihrem Visier, seit sie »Betar« in ihre Datenbank »rechtsextremistischer Gruppen« aufgenommen hat.

Zu Recht. Denn »Betar«, die in den USA von dem PR-Manager und Trumpisten Ronn Torossian geführt wird, bewegt sich nicht nur am rechten Rand des MAGA-Lagers, sie lädt auch White-Supremacy-Milizen wie die »Proud Boys« zur Kooperation ein. Da die Bedingung für eine Mitgliedschaft nur das Bekenntnis zum Zionismus ist, umgarnt sie auch Antisemiten. Als der Influencer Steve Bannon »progressive jüdische Milliardäre«, die die Gegner von Netanjahu und MAGA unterstützen, zum »größten Feind« Israels erklärte, spendete »Betar« Applaus. Zu ihren engsten Verbündeten gehört die kahanistische »Jewish Defense League« (JDL), zionistische Faschisten, die im FBI-Report von 2000/2001 als »rechtsgerichtete Terrorgruppe« geführt wurden. Die JDL fällt seit Jahren wieder durch Prügelattacken auf – zum Beispiel 2017 in Washington, D. C., gegen einen US-amerikanisch-palästinensischen Professor –, die meist von der Justiz ungeahndet bleiben.

Auch in Europa veranstaltet »Betar« Hetzjagden. Als im November 2024 die rassistischen Ausfälle von Maccabi-Tel-Aviv-Hooligangruppen in Amsterdam auf die Gegenwehr von Migranten stießen, orchestrierte sie dort Riots und eine Medienkampagne, die die Vorgänge zum »antisemitischen Pogrom« zurechtlog. Kurz danach griff ein »Betar«-Mob bei einem Länderspiel in Paris nach Buhrufen bei der israelischen Nationalhymne französische Fußballfans an.

»Betar« und die JDL, die von den Sicherheitsbehörden als »inaktiv« eingestuft worden ist, wollen »alle Mittel, die nötig sind« einsetzen (»Get a gun and learn to fight!«) und den israelischen Krieg in die Metropolen der westlichen Welt tragen. »Betar« baut seit rund zwei Jahren ihre Netzwerke im großen Stil aus – besonders in den USA, wo sie seit Juli 2024 als gemeinnützig anerkannt ist und mit der Israel-Lobbygruppe AIPAC nahestehenden republikanischen Senatoren wie John Fetterman und Ted Cruz mächtige Förderer hat. Nach eigenen Angaben ist »Betar« mittlerweile international auf 35 Sektionen angewachsen. Die JDL unterhält seit langer Zeit wieder aktive Ableger in Kanada, auch in Europa, etwa in Großbritannien mit Verbindung zu »Tommy Robinson«, in Frankreich mit der als besonders brutal geltenden »Ligue de défense juive«.

Hintergrund:»Betar«

Die rechte Jugendorganisation wurde 1923 von dem Führer der revisionistischen Zionisten, Zeev Jabotinsky, in Riga gegründet. »Betar« ist das Akronym für »Hebräischer Jugendbund im Gedenken an Joseph Trumpeldor« (ein Zionist, der nach seinem Tod in der Schlacht von Tel Chai 1920 zum Symbol heldenhafter jüdischer Selbstverteidigung wurde). Ihr Wirkungszentrum war Polen, bereits 1929 schaffte sie den Sprung in die USA, Anfang der 1930er Jahre nach Südafrika, verbreitete sich in Westeuropa, etwa in Großbritannien, und erreichte vor dem Zweiten Weltkrieg eine Größe von 70.000 Mitgliedern.

Die revisionistischen Zionisten waren von Mussolinis faschistischem Italien beeinflusst. Den Kern ihrer Ideologie bildete der Imperativ, in Palästina eine »eiserne Mauer aus jüdischen Bajonetten« zwischen Arabern und Juden zu errichten. In Israel erlebt die Bewegung seit Jahrzehnten durch die Likud-Partei und Regierungspolitiker wie die Ministerpräsidenten Menachem Begin, Jitzchak Schamir, vor allem durch Benjamin Netanjahu, aber auch durch den Sportverband »Betar« mit dem Fußballverein »Beitar Jerusalem«, enormen Aufwind.

Ihre ultrarechte Flanke bilden die Anhänger von Meir Kahane. Der US-amerikanische Rabbiner hatte 1968 in New York City die »Jewish Defense League« (JDL) und drei Jahre später in Israel nach dem Vorbild von Jabotinskys paramilitärischer Truppe »Irgun« (sie verübte 1948 das Massaker im palästinensischen Dorf Deir Jassin) die Partei und Organisation »Kach« gegründet – Vorgänger von Otzma Jehudit des heutigen Polizeiministers Itamar Benw-Gvir. Besonders die kahanistischen Organisationen kennzeichnet ein militanter Antikommunismus und Rassismus sowie eine extreme Gewaltbereitschaft; auf ihr Konto gehen zahlreiche Bombenanschläge, Morde und andere schwere Gewaltverbrechen vorwiegend gegen Zivilisten. (sws)

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