Rechte Opposition blockiert Reformen
Von Volker Hermsdorf
Ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen verschärft sich in Kolumbien der Klassenkampf. Nach einem am Donnerstag beendeten zweitägigen nationalen Streik haben Gewerkschaften und soziale Organisationen für Mitte Juni weitere Proteste gegen die Blockade sozialer Reformen durch die rechte Opposition angekündigt. Mit landesweiten Aktionen, die laut dem Gewerkschaftsbund Central Unitaria de Trabajadores (CUT) für den 11. oder 12. Juni geplant sind, soll der Druck für eine Volksabstimmung über die vom linken Präsidenten Gustavo Petro geplanten Arbeitsrechts- und Gesundheitsreformen verstärkt werden. Der rechte Senatspräsident Efraín Cepeda hingegen bezeichnete Petros Ankündigung, die Volksbefragung notfalls per Dekret einzuleiten, als Gefahr für die Demokratie.
Vorausgegangen war eine Abstimmung im Senat am 14. Mai, bei der der Regierungsvorschlag für das Referendum mit der knappen Mehrheit von 49 gegen 47 Stimmen abgelehnt worden war. Die Unterstützer der Reformvorhaben kritisieren mehrere schwerwiegende Verfahrensfehler, durch die das Ergebnis nicht korrekt zustande gekommen sei. So habe Senatspräsident Cepeda direkt nach Bekanntgabe der Tagesordnung zur Stimmabgabe aufgerufen, obwohl das Parlamentsgesetz vorschreibe, dass der zur Abstimmung stehende Text zuvor verlesen werden müsse. »Es wurde abgestimmt, ohne zu wissen, worüber«, bemängelte Innenminister Armando Benedetti. Falls der Senat bis zum 1. Juni keine Stellungnahme zu den Vorwürfen abgebe, werde die Regierung per Dekret zum Referendum aufrufen, kündigte er an. Am Mittwoch hat der Staatsrat, das höchste Verwaltungsgericht des Landes, eine Klage zugelassen, die die Annullierung der Abstimmung im Senat vom 14. Mai anstrebt.
Der Kampf um die Reformen hat sich zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung entwickelt. Der Konflikt zwischen der oligarchischen politischen Klasse und der Forderung der Volksbewegungen nach strukturellem Wandel verschärft sich damit im Vorfeld der nächsten Wahlen. Die Änderung des Arbeitsrechts soll neoliberale Gesetze rückgängig machen, die Arbeiterrechte einschränken. Sie sieht außerdem die Verkürzung der Arbeitszeit, bezahlte Krankentage bei Menstruationsbeschwerden und faire Löhne im ländlichen Raum vor. Die Gesundheitsreform zielt auf eine Entprivatisierung des Systems und die Stärkung der öffentlichen Grundversorgung ab.
Aus Sicht von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen stellt das Parlament heute »das größte Hindernis für den sozialen Fortschritt« dar. »Der Kongress repräsentiert nicht das Volk, sondern eine Elite, die ihre wirtschaftlichen Interessen verteidigt«, zitierte Telesur einen CUT-Sprecher. Als Beispiel dafür gilt unter anderem die Verhinderung der Abstimmung über ein Projekt zur Senkung der Gehälter von Abgeordneten – während Arbeiter und Bürger für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen kämpfen. Nach der ersten Streikwelle, die große Teile des öffentlichen Lebens in Bogotá, Cali, Medellín und anderen Städten lahmlegte, erklärte die CUT am Donnerstag in ihrem Aufruf zu weiteren Protesten: »Die Oligarchie darf die Forderungen des Volkes nicht länger ignorieren.«
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