Zweifelhafter Sieg für RWE
Von Wolfgang Pomrehn
Am Mittwoch vergangener Woche ging im nordrhein-westfälischen Hamm ein Prozess zu Ende, mit dem Rechtsgeschichte geschrieben worden sein könnte. Vordergründig hat der Kläger mit seiner Klimaklage gegen RWE verloren, aber die Urteilsbegründung hat es in sich. Das
Oberlandesgericht hat die Klage des peruanischen Kleinbauern und Bergführers Saúl Luciano Lliuya gegen den deutschen Energiekonzern abgewiesen. Er wird nun keinen Schadenersatz für sein vom Klimawandel bedrohtes Wohnhaus hoch oben in den peruanischen Anden bekommen.
Trotzt dieser letztinstanzlichen Niederlage ist seine Anwältin Roda Verheyen höchst zufrieden. Sie sieht sich in ihrer Rechtsauffassung bestärkt, wie sie gegenüber der Zeit erklärte. In seiner Presseerklärung hat das Gericht nämlich bestätigt, dass durchaus ein Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz bestehen könnte. Der Verursacher von Kohlendioxidemissionen könne verpflichtet sein, Maßnahmen zur Verhinderung zu ergreifen, hatte der Vorsitzende Richter Rolf Meyer ausgeführt. Insbesondere könne sich RWE gegenüber einem peruanischen Kläger nicht darauf berufen, dass er die potentiellen Schäden dulden müsse, weil das Unternehmen in Deutschland einen Versorgungsauftrag erfülle, so Meyer in der mündlichen Urteilsbegründung. Ein schriftliches Urteil liegt bislang nicht vor.
Auch die große Entfernung zwischen den rheinischen RWE-Kraftwerken und der Andenstadt Huaraz sei kein ausreichender Grund, die Klage als unbegründet einzustufen. Meyer machte zudem deutlich, dass RWEs Rechtsauffassung falsch sei, nach der künftig jeder einzelne Bürger rechtlich belangt werden könne, wäre Lliuya recht gegeben worden. Dafür seien die Beiträge einzelner Bürger viel zu klein. Aber eben nicht die des RWE-Konzerns, der im Rheinland Braunkohle abbaggert, wertvolle landwirtschaftliche Flächen zerstört und die Kohle in seinen Großkraftwerken mit einem Wirkungsgrad meist unter 40 Prozent verfeuert. Braunkohle hat von allen fossilen Energieträgern den höchsten Ausstoß an Kohlendioxid pro erzeugter Kilowattstunde Strom.
Dass die Klage dennoch abgewiesen und das Urteil aus der ersten Instanz bestätigt wurde, hatte vor allem mit der Einschätzung der konkreten Gefährdung zu tun. Die Gebirgsstadt Huaraz ist bereits in der Vergangenheit von dramatischen Flutwellen aus einem höher gelegenen Gebirgssee verheert worden, zuletzt 1970, wodurch laut Wikipedia rund 10.000 Menschen starben. Ein großer Eis- und Geröllsturz hatte dazu geführt, dass der den See aufstauende natürliche Damm brach und sich die Wassermassen ins Tal ergossen. Da aufgrund des Klimawandels die Andengletscher abschmelzen, also mehr Wasser freisetzen, und auch die Berghänge auftauen und damit instabil werden, befürchtet der Kläger, dass auch sein Haus weggerissen werden könnte. Peruanische Geowissenschaftler schätzen die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses in den nächsten 30 Jahren auf 30 Prozent ein, so Verheyen gegenüber der Zeit.
Der vom Gericht bestellte Sachverständige, der nach Angaben der Anwältin Geschäftsbeziehungen mit RWE unterhält, geht jedoch von einer erheblich geringeren Wahrscheinlichkeit aus und negiert eine Gefahr für das Haus des Klägers, da dieses etwas oberhalb der übrigen Stadt liege. Letztlich ist das Gericht ihm gefolgt. Verheyen sieht aufgrund der Ausführungen des Richters dennoch einen Präzedenzfall geschaffen, mit dem künftig gegen deutsche Konzerne vorgegangen werden könnte. RWE meint, ein solcher Präzedenzfall sei verhindert worden.
Allerdings kann es das nur mit dem erstinstanzlichen Urteil begründen. In dem war nach Darstellung des Konzerns ein Unterlassungsanspruch gegen das Unternehmen als unbegründet zurückgewiesen worden. Einzelne Auswirkungen des Klimawandels könnten aufgrund der Vielzahl der Emittenten nicht einzelnen Verursachern individuell zugeordnet werden. Doch dem haben die Richter in Hamm ausdrücklich widersprochen.
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