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Aus: Ausgabe vom 02.06.2025, Seite 4 / Inland
Rechtspopulismus im Ländle

Extrawurst für Weidels Günstling

Landesparteitag der AfD Baden-Württemberg kürt Frohnmaier zum »Ministerpräsidentenkandidaten«
Von Niki Uhlmann
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Pest und Cholera: Auf dem Landesparteitag der AfD hatten Delegierte die Qual der Wahl (Heilbronn, 31.5.2025)

Mit nur einer Gegenstimme hat der Landesparteitag der AfD Baden-Württemberg in Heilbronn den dortigen Vorsitzenden Markus Frohnmaier am Sonnabend zum Ministerpräsidentenkandidaten für die Landtagswahl 2026 gekürt. »Sicher, frei und deutsch« müsse die Heimat bleiben, fasste der gebürtige Rumäne sein Programm zusammen und stellte siegessicher »das beste Ergebnis in der Geschichte der Südwest-AfD« in Aussicht, berichtete Tagesschau.de am Sonnabend. Auf der Landesliste habe er demnach nicht kandidiert, da er bereits im Bundestag sitzt.

Wahlprognosen zufolge steht die AfD im nach wie vor von den Christdemokraten dominierten Ländle inzwischen auf dem zweiten Platz. Im Durchschnitt der letzten drei Wahlumfragen landete die Rechtsaußenpartei mit 20,4 Prozent knapp vor den Grünen. Das entspricht einem Zuwachs von 10,7 Prozentpunkten seit der letzten Landtagswahl. Im selben Zeitraum konnte die CDU lediglich 5,2 Prozentpunkte zulegen, während die Grünen sage und schreibe 12,4 Prozentpunkte eingebüßt haben. Sonderlich plausibel ist eine Machtübernahme durch Frohnmaier aber vorerst nicht. Selbst die CDU ziert sich trotz wachsender programmatischer Überschneidungen noch, mit der AfD zwecks Regierungsbildungen in Land und Bund zu koalieren.

Frohnmaier ist ein Parteisoldat. Nach einem abgebrochenen Jurastudium habe er sich »in der AfD hochgearbeitet«, porträtierte der SWR: vom Pressesprecher der ehemaligen Parteichefin Frauke Petry, über ein Bundestagsmandat und den Vorsitz der inzwischen aufgelösten Jungen Alternative Baden-Württemberg, zum Landessprecher der gesamten Partei. Schon Anfang Mai hatte Frohnmaier seine Kandidatur bekanntgegeben und in diesem Zuge ein »Sofortprogramm« präsentiert. Würde er gewählt, wolle er in nur 100 Tagen einen »Baden-Württemberg-Fonds« nach norwegischem Vorbild einführen, neue Atomkraftwerke genehmigen und Gas aus Russland importieren, Gemeinschaftsschulen abschaffen und das Volk im Ländle per Volksentscheid über restriktivere Asylpolitik abstimmen lassen.

Parteiintern scheine Frohnmaier so beliebt zu sein, schrieb der SWR weiter, dass von einem Ausschlusskriterium für Amts- und Mandatsträger kein Gebrauch gemacht würde, obwohl es auf ihn zutreffe. Er habe nämlich nie außerhalb der Politik gearbeitet. Die Bundessatzung sieht indes vor, dass Kandidaten »mindestens fünf Jahre in einem Beruf tätig gewesen sein« sollen. »Die Vorschrift stellt keine zwingende Voraussetzung dar«, wand sich Frohnmaier auf Nachfrage des SWR um das wohlgemerkt einzige Kriterium. Obwohl eine offene Diskussion darüber ausbleibt, regt sich intern Kritik. »Das, was wir anderen Parteien gerne vorwerfen, machen wir jetzt selber. Und das sorgt dafür, dass lauter Unqualifizierte plötzlich ein Amt bekommen, dem sie nicht gewachsen sind«, kommentierte ein Parteimitglied, das namentlich nicht genannt werden wollte, gegenüber SWR. Der »Weidel-Club« befördere »loyale Leute« statt jener, die »etwas auf intellektueller, handwerklicher Ebene beitragen«, werde an anderen Stellen der Parteibasis geunkt.

Nennenswerten Protest gab es letztlich nur außerhalb des Parteitags. Rund 500 Menschen folgten laut Heilbronner Stimme dem Aufruf des Vereins Netzwerks gegen Rechts Heilbronn. Dort hieß es: »Die Preise steigen, die Löhne bleiben niedrig, Wohnraum wird unbezahlbar. Doch anstatt echte Lösungen zu bieten, schürt die AfD Hass«. Im Hintergrund tobt derweil die Verbotsdebatte. Am Wochenende warb der Vizepräsident des Deutschen Bundestags, Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen), in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel für das Verbot: »Unsere Demokratie an sich ist wehrhaft – aber nur, wenn wir ihr auch den Auftrag geben, wehrhaft zu sein.« Dabei dürften »wahltaktische Überlegungen« aber »keine Rolle spielen«. In Baden-Württemberg würde ein zügiges Verbot der AfD den nunmehr drittplatzierten Grünen allerdings sehr wohl in die Karten spielen.

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