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Aus: Ausgabe vom 31.05.2025, Seite 8 / Ausland
Guatemala

»Uns ist der Wille der Basis wichtig«

Guatemala: Kritik an Parteineugründung aus dem Regierungslager. Ein Gespräch mit Manfredo Duvalier Castañón Gonzáles
Interview: Thorben Austen, Quetzaltenango
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Mitglieder und einige Abgeordnete von Semilla (dt.: Samen, jW), haben am vergangenen Sonntag die neue Partei Raíces (dt.: Wurzel, jW) gegründet. Hintergrund ist die Suspendierung von Semilla, weshalb Sie als Abgeordneter nur als »Unabhängiger« geführt werden. Warum waren Sie und acht weitere der 23köpfigen Fraktion gegen die Neugründung?

Als Abgeordnete von Semilla sind wir Ausdruck des Volkswillens und dem Willen der Parteibasis verpflichtet. Eine demokratische Entscheidung über eine Alternative zu Semilla gab es in den Gremien der Partei und den 16 Departamentos, in denen wir Strukturen haben, nicht. Insofern ist Raíces auch nicht der Nachfolger von Semilla. Das Vorgehen vom Wochenende erinnert an das der alten Parteien in Guatemala: Es gibt einen Besitzer, den Caudillo, der alles entscheidet. Uns sind der Wille und die Entscheidungen der Basis wichtig. Die illegale Verfolgung der Partei rechtfertigt nicht, selbst zu Maßnahmen zu greifen, die außerhalb demokratischer Entscheidungen stehen.

Es heißt, der Konflikt zwischen Ihren neun Abgeordneten und den 14 um Samuel Pérez, die jetzt maßgeblich die neue Partei initiierten, existiere schon länger. Um was geht es inhaltlich?

Semilla hat als demokratische Partei selbstverständlich verschiedene Strömungen und verschiedene Positionen zu diversen Themen. Das haben wir seit der Gründung 2016 immer demokratisch in den Gremien der Partei geregelt und werden das auch weiter so handhaben.

Die Regierung Bernardo Arévalo ist jetzt knapp 18 Monate im Amt. Viele Leute in Guatemala sagen, es habe sich nichts geändert im Land. Was halten Sie dem entgegen?

Wir sind kein Teil der kriminellen Netzwerke, die bisher das Land regiert haben. Es gibt Fortschritte und auch konkrete Ergebnisse: Fortschritte bei der Pressefreiheit, keine Unterdrückung friedlicher Bürgerproteste mehr sowie einen Haushalt, der Investitionen in soziale Entwicklung, Gesundheit und Bildung erhöht hat. Wir planen den Bau von drei neuen Krankenhäusern, die Sprechstunden in den Krankenhäusern sind wieder für alle Patienten zugänglich, die Gesundheitszentren sind verbessert worden. Arévalo hat erstmals in der Geschichte des Landes einen kontinuierlichen Dialog mit den Indigenen begonnen. Wir haben das Gesetz über den freien Wettbewerb beschlossen, das die Monopole einschränkt.

Auf der anderen Seite sind die hohen Lebenshaltungskosten und das geringe Lohnniveau weiter ein Problem, aber es war nicht zu erwarten, das in 18 Monaten grundlegend zu verändern. Es gibt dafür seit diesem Jahr eine allgemeine zehnprozentige Gehaltserhöhung und sechs Prozent mehr im Exportsektor.

In unserem Gespräch nach den Wahlen 2023 haben Sie von einem Regierungsplan zur Renovierung von Schulen und einer Überprüfung der Bergbaukonzessionen gesprochen. Wie weit sind Sie hier?

Das Programm zur Renovierung der Schulen läuft seit dem Amtsantritt im Januar 2024. Wir haben zahlreiche Schulen auf dem Land renoviert, in denen seit Jahrzehnten nichts gemacht wurde, in manchen erstmals sanitäre Einrichtungen eingebaut. Beim Bergbau ist es schwierig, da stehen uns Gerichtsentscheide der undemokratischen Justiz und jahrzehntelange Verträge gegenüber. Aber auch hier hat das zuständige Ministerium die Kontrollmechanismen verschärft. Um es zusammenzufassen: Wir sind auf einem schwierigen Weg, erzielen Fortschritte, machen aber bestimmt auch Fehler und vieles fehlt noch.

Was sagen Sie zu der Kritik, Arévalo gehe nicht konsequent genug gegen seine Gegner in der Staatsanwaltschaft um Generalstaatsanwältin María Consuelo Porras vor?

Arévalo ist ein demokratischer Präsident. Er unternimmt, wie er selbst sagte, alle »legalen Schritte«. Ein autoritärer Präsident würde jetzt vielleicht die Staatsanwaltschaft mit der Armee umstellen und Frau Porras verhaften, aber das wird Arévalo nicht tun. Er würde sich selbst ins Unrecht setzen und damit dem »Pakt der Korrupten« in die Falle gehen. Außerdem endet die Amtsperiode von Porras im Mai 2026.

Manfredo Duvalier Castañón Gonzáles ist Kongressabgeordneter für die Partei Semilla

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