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Aus: Ausgabe vom 31.05.2025, Seite 1 / Titel
Ukraine–Russland

Kurs auf Waffenstillstand

Russland schickt am Montag Delegation zu Treffen mit Ukraine nach Istanbul. Kiew lässt Teilnahme offen. USA und Westeuropäer auch vor Ort
Von Arnold Schölzel
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Seit mehr als zweieinhalb Jahren steht der Ukraine-Krieg militärisch still, allerdings schweigen die Waffen nicht

Das zähe und verwirrende diplomatische Spiel um eine Feuereinstellung im Ukraine-Krieg ging am Freitag weiter. Bei jW-Redaktionsschluss stand fest: Moskau schickt am Montag eine Delegation nach Istanbul, die dort Gespräche mit einer Abordnung aus Kiew führen soll. Allerdings ließ der ukrainische Außenminister Andrij Sibiga bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem türkischen Amtskollegen Hakan Fidan am selben Tag in Kiew offen, ob seine Regierung Vertreter entsenden wird. Sibiga bekräftigte die Forderung, Russland müsse zunächst sein Memorandum mit Vorschlägen für eine Einigung übergeben. Das lehnte wiederum der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, umgehend ab. Sibiga setzte seinerseits keine Frist für die Übergabe des Dokuments und ließ offen, wie Kiew reagieren werde, wenn es das Papier nicht erhält. Er betonte aber, die Ukraine sei »offen für direkte Gespräche mit Russland«, und fügte hinzu: »Wir wollen diesen Krieg noch in diesem Jahr beenden. Wir sind an einem Waffenstillstand interessiert, sei es für 30, 50 oder 100 Tage.«

Fidan erklärte, die Türkei hoffe, dass Russland und die Ukraine bei ihren nächsten Gesprächen die »technischen Fragen« weitgehend abschließen werden. Seine Regierung wolle danach einen Gipfel der Staatschefs von Ukraine und Russland ausrichten, an dem auch die Präsidenten der Türkei und der USA teilnehmen sollen. Fidan war zuvor zu Beratungen in Moskau gewesen und hatte u. a. mit Präsident Wladimir Putin gesprochen. Peskow kommentierte Fidans Äußerungen mit der Bemerkung, Putin habe sich wiederholt für Kontakte auf höchster Ebene ausgesprochen. Diese erforderten eine entsprechende Vorbereitung und Ergebnisse der Delegationskontakte: »Wenn und sobald dies erreicht ist«, könne man über Konsultationen auf höchster Ebene sprechen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte am Mittwoch den 2. Juni für das Treffen in Istanbul vorgeschlagen. Die russische Delegation sei bereit, dort ein Memorandum zu »allen Aspekten einer zuverlässigen Überwindung der Grundursachen der Krise« vorzustellen. Der ukrainische Verhandlungsführer und Verteidigungsminister Rustem Umerow erklärte am selben Tag, Kiew habe sein Positionspapier Moskau bereits übergeben. Peskow sagte dazu, »selbstverständlich« werde nichts aus den Papieren veröffentlicht, erläuterte aber zugleich, die Sicherheit der Schiffahrt im Schwarzen Meer sei eine Voraussetzung für einen zeitweiligen Waffenstillstand.

Eine der Bedingungen Moskaus für ein Ende des Krieges ist nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters, dass die NATO auf eine weitere Osterweiterung verzichtet. Washingtons »Ukraine-Gesandter« Keith Kellogg bestätigte das am Donnerstag (Ortszeit) und äußerte Verständnis. Er sagte dem US-Sender ABC: »Das ist ein berechtigtes Anliegen«. Zugleich bekräftigte er: »Wir haben gesagt, dass für uns ein NATO-Beitritt der Ukraine nicht zur Debatte steht.« Bei diesem Thema gehe es Russland auch um die NATO-Ambitionen von Georgien und Moldau. Kellogg forderte die Ukraine auf, am Montag nach Istanbul zu kommen. Auch US-Gesandte und Vertreter der Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens sollten dort über die Vorstellungen beider Seiten für eine Waffenruhe sprechen. In diesem Format war bereits am 23. April in London beraten worden. Kellogg ergänzte, US-Präsident Donald Trump sei enttäuscht von Russland, weil er bei Putin »ein Maß an Unvernunft« festgestellt habe, und kritisierte Moskau für die anhaltenden Angriffe auf ukrainische Städte.

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