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Aus: Ausgabe vom 30.05.2025, Seite 16 / Sport
Beim Fananwalt

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Von René Lau
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Traditionell beschließen die Pokalendspiele die Saison. Nicht nur die einzelnen Verbände und Bundesländer suchen am sogenannten »Tag der Amateure« ihren Pokalsieger, sondern auch im großen Wettbewerb des DFB wird im Berliner Olympiastadion der Sieger gesucht. Veranstalter der Endspiele ist immer der jeweils zuständige Verband, nicht aber die beteiligten Vereine. Wo sonst ehrenamtliche Mitglieder der Vereine die Spieltagsorganisation meistern, haben an diesem Tag die Funktionäre das Sagen, die auch sonst nichts weiter zu tun haben, als den Spielbetrieb zu organisieren. Und jedes Jahr aufs Neue blamieren sie sich. Jeder ehrenamtlich tätige rüstige Rentner in der Kreisliga weiß besser, was am Spieltag zu tun ist als ein Verbandsfunktionär.

So schön es für meine Heimatstadt Berlin ist, Tausende Fans in der Stadt zu haben, die Funktionäre lernen offenbar nie dazu. Seit Jahren ist bekannt, dass es beim Pokalendspiel immer wieder Probleme mit dem Einlass der Fans gibt. Aber geändert hat sich nichts. Stundenlang standen die Bielefelder Fans am Südtor in bedrückender Enge und kamen teilweise erst zum Ende der ersten Halbzeit ins Stadion. Keine Informationen, keine Ordner, nichts.

Am 29. Mai jährte sich die Kata­strophe im Brüsseler Heysel-Stadion zum 40. Mal, und ich mag mir gar nicht vorstellen, was in Berlin hätte passieren können, wenn die Fans sich nicht so diszipliniert verhalten hätten. Aber auch die Atmosphäre im Stadion zeigte wieder einmal, dass die Funktionäre nur von ihrer Doppelmoral leben. Gerne sanktionieren sie Vereine für Pyrotechnik mit astronomischen Geldstrafen. Doch bei Pokalspielen, bei denen sie selbst für die Organisation verantwortlich sind, brennt es jedes Jahr lichterloh in den Kurven. Auch dieses Jahr war das nicht anders. Wieder einmal ein Anzeichen, dass die Verbände selbst das nicht in den Griff bekommen, was sie den Vereinen vorwerfen.

In diesem Jahr feiert sich der DFB zu seinem 125jährigen Bestehen. Wäre das für die Verantwortlichen nicht eine Gelegenheit, endlich die Fenster zu öffnen und durchzulüften? Der Doppelmoral und der Inkompetenz ein Ende zu setzen? Und sollten sie nicht wissen, was zu tun ist, finden sie Tausende Fans in den Kurven oder Mitglieder in den Vereinen, die ihnen helfen können.

»Sport frei!« vom Fananwalt.

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