Datenkrake schafft Fakten
Von Sebastian Edinger
Seit Dienstag nutzt der US-amerikanische Digitalkonzern Meta in großem Stil Nutzerdaten von Facebook und Instagram für das Training der hauseigenen Software Meta AI. Zuvor war ein Eilantrag der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ NRW), dies zu unterlassen, vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln gescheitert. Nutzern der Meta-Anwendungen blieb nur die Möglichkeit, der Datennutzung aktiv zu widersprechen; die Frist dazu ist in der Nacht zum Dienstag abgelaufen (jW berichtete). In ihrem Eilantrag hatten die Verbraucherschützer argumentiert, nur bei aktiver Zustimmung durch die Nutzer sei eine Verwendung ihrer Daten für das Training künstlicher Intelligenz (KI) zulässig. Andernfalls verstoße die Datenverarbeitung gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU. Jedoch beinhaltet die DSGVO eine etwas schwammige Klausel, die eine unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten doch zulässt, wenn ein »berechtigtes Interesse« daran vorliegt. Darauf beruft sich Meta. Den Nutzern wurde ausdrücklich in diesem Wortlaut mitgeteilt, man verwende ihre Daten wegen »eines berechtigten Interesses, um KI bei Meta zu entwickeln und weiter zu verbessern«.
Das OLG folgte dieser Argumentation und betonte in einer Mitteilung, Meta verfolge mit der Datenverarbeitung einen »legitimen Zweck«. Dieser Zweck könne »nicht durch gleich wirksame andere Mittel, die weniger einschneidend wären, erreicht werden«. Zwar räumte das Gericht ein, unzweifelhaft würden »für das Training große Datenmengen benötigt, die nicht zuverlässig vollständig anonymisiert werden können«. Doch im Rahmen der Abwägung der Rechte von Nutzern und Meta als Betreiberin überwögen die Interessen des Konzerns.
Bei Meta freute man sich öffentlichkeitswirksam über die Entscheidung und betonte süffisant, diese stehe im Einklang mit der Bewertung der irischen Datenschutzbehörde DPC, auf die sich auch das OLG in seinem Urteil beruft. Nun ist es kein Zufall, dass alle großen Digitalkonzerne ihren EU-Hauptsitz in Irland haben. Schließlich wird dort eine außerordentlich lasche Durchsetzung der DSGVO durch eine konzernfreundliche Behörde als Standortvorteil gepflegt. In der Vergangenheit hatte die DPC im Datenschutzausschuss der EU häufiger gegen die Vertreter aller anderen Länder für konzernfreundliche Entscheidungen plädiert.
Im Zuge des Eilverfahrens war zudem bekanntgeworden, dass die Landesdatenschutzstelle Hamburgs ein Dringlichkeitsverfahren gegen die DPC und Meta eingeleitet hat. Dieses zielt darauf ab, die Behörde zu verpflichten, die DSGVO konsequent umzusetzen und das KI-Training von Meta selbst zu stoppen. Er könne es gut verstehen, dass Nutzer besorgt sind, »wenn alle ihre in sozialen Netzwerken geteilten Bilder und Texte nun in KI-Modelle fließen«, sagte Thomas Fuchs, der Datenschutzbeauftragte der Hansestadt.
Entschieden ist die Angelegenheit mit dem Scheitern des Eilantrags noch nicht: Dass die einstweilige Verfügung nicht erlassen worden sei, bedeute nicht, dass ein Hauptverfahren nicht gewonnen werden könne, betonte etwa Max Schrems von der österreichischen Datenschutzorganisation Noyb. Schließlich sei der DSGVO-Verstoß von Meta »ziemlich massiv und offensichtlich«. Während die VZ NRW ein Verfahren für Deutschland angestrengt habe, plane seine Organisation ein Verfahren für die gesamte EU. »Sollte sich das Vorgehen von Meta am Ende als rechtswidrig erweisen, könnte das Unternehmen Schadenersatzforderungen von bis zu 400 Millionen europäischen Nutzerinnen und Nutzern ausgesetzt sein.«
Bei der VZ NRW ist die Enttäuschung über den OLG-Entscheid trotzdem groß. Denn das Scheitern des Eilantrags bedeute, »dass nun Fakten geschaffen werden, obwohl es weiterhin erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwendung in dieser Form gibt«, so Vorstand Wolfgang Schuldzinski. Die Verbraucherschützer bekräftigten nach Bekanntwerden des Urteils ihre Position, dass eine aktive Zustimmung der Nutzer zur Verwendung ihrer Daten für das Training der KI notwendig sei. Nutzer sollten »ein souveränes Mitspracherecht behalten und nicht bloß eine Widerspruchsmöglichkeit eingeräumt bekommen«.
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