Grenze wird zur Staufalle
Von Gerrit Hoekman
Vollmundig versprach der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im August 2016 gegenüber der Passauer Neuen Presse: »Unser Ziel ist, künftig Staus auf unseren Hauptverkehrsstrecken zu vermeiden.« Seit dem 7. Mai ist Dobrindt nun Innenminister und zeigt, was er deutlich besser kann: Staus verursachen. Zum Beispiel an der Grenze zu den Niederlanden. Schuld sind die von Dobrindt noch einmal verschärften Kontrollen. »Bereits gestern kontrollierte die Polizei den Einreiseverkehr aus den Niederlanden auf der A 3 am Grenzübergang Elten. Dabei kam es zeitweise zu einem langen Rückstau von bis zu fünf Kilometern«, berichtete Antenne Niederrhein am 9. Mai. Die wichtige Autobahn führt ins Ruhrgebiet und über Köln nach Frankfurt am Main.
Jeden Monat passieren nach Berechnungen der Deutsch-Niederländischen Handelskammer (DNHK) mindestens 750.000 Lastwagen die gemeinsamen Grenzen in beide Richtungen. Vor Beginn der Kontrollen im vergangenen September sei man davon ausgegangen, dass sie die Unternehmen in beiden Staaten rund 60 Millionen Euro im Monat kosten würden, verriet DNHK-Sprecherin Janine Damm am Dienstag auf Anfrage der jungen Welt mit. Es sei »zum Glück bislang nicht so schlimm wie befürchtet«.
Auf der A 30 melden die Verkehrsnachrichten am Grenzübergang De Lutte täglich Wartezeiten zwischen 15 und 30 Minuten. Die Autobahn ist die kürzeste Verbindung zwischen Berlin und dem Seehafen Rotterdam. Um den Stau zu umgehen, weichen listige Lkw-Fahrer auf Landstraßen aus und quälen sich durch die kleinen Ortschaften, ärgerte sich Ronald Ringenoldus, Lokalpolitiker im niederländischen Losser, im April in der Tageszeitung Tubantia.
»Die Auswirkungen der Grenzkontrollen auf den Güterverkehr waren bislang begrenzt. Die meisten Unternehmen in der Grenzregion geben an, dass dies machbar sei«, erklärte Tessa de Jong, die Sprecherin des niederländischen Branchenverbands TLN (Transport en Logistiek Nederland), am Mittwoch gegenüber jW. »Im Durchschnitt werden Verspätungen von 20 bis 30 Minuten gemeldet; gelegentlich können sie bis zu einer Stunde dauern.« Der Verband betone aber weiterhin die Bedeutung eines gut funktionierenden europäischen Binnenmarkts, in dem der Güterverkehr möglichst wenig behindert wird. »TLN bittet daher um eine sorgfältige Abwägung der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit«, so de Jong.
Seit dem 9. Dezember 2024 kontrollieren auch die Niederlande die Einreisenden aus der Bundesrepublik. Bereits die Ankündigung sorgte für Unmut. »Der freie Verkehr ist für Grenzregionen sehr wichtig. Wir wollen keine täglichen Warteschlangen an der Grenze«, sagte Joris Bengevoord, der Bürgermeister von Winterswijk, in der Tageszeitung Tubantia. Deutsche aus dem Ruhrgebiet und dem Münsterland kommen am Wochenende gerne zum Einkaufen nach Winterswijk. Wartezeiten bei der Ein- und Ausreise von bis zu einer halben Stunde könnten sie abschrecken.
Mehrarbeit, Tagesgeld, Verpflegung, Unterbringung, Ausstattung der Kontrollstellen – die noch von der deutschen Ampelkoalition am 16. September 2024 eingeführten Grenzkontrollen haben in den ersten sechs Monaten 50,9 Millionen Euro gekostet, teilte die Bundesregierung AFP zufolge am Donnerstag vor einer Woche mit. 24,6 Millionen Euro kostet demnach alleine die Bezahlung der Überstunden. 18,9 Millionen Euro die Hotelübernachtungen. Die Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz nicht einmal eingerechnet.
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