Macron in Vietnam
Von Gerhard Feldbauer
Es war der erste Besuch eines französischen Staatsoberhauptes seit rund zehn Jahren: Anfang der Woche hat der französische Präsident Emmanuel Macron Vietnam besucht. Anschließend reiste er nach Indonesien weiter. An diesem Freitag will er auf der regionalen »Sicherheitskonferenz« dem Shangri-La-Dialog eine Rede halten – auch das als erster hochrangiger europäischer Politiker überhaupt. Die Reise zeigt das verstärkte Interesse der ehemaligen Kolonialmacht an dem Land in Südostasien. Im Oktober vergangenen Jahres hatten die beiden Länder bereits eine umfassende strategische Partnerschaft vereinbart. Diese »Souveränitätspartnerschaft« könne die »zentrale Achse« des französischen Engagements im indopazifischen Raum sein, sagte Macron nun.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz lobte er zudem, wie die Vietnam News Agency (VNA) berichtete, die Stärke der bilateralen Beziehungen und wünschte, mit Vietnam weiter zusammenzuarbeiten. Präsident Luong Cuong hob das zunehmende »strategische Vertrauen« zwischen beiden Ländern hervor. Begleitet wurde Macron von mehreren Ministern, darunter die für Wirtschaft und Finanzen. Das Ergebnis der Reise: Insgesamt schloss die französische Delegation Deals in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar ab. Die rund ein Dutzend Abkommen betreffen die Bereiche Infrastruktur, Luft- und Raumfahrt, Geologie und Bodenschätze, dekarbonisierte Energien, einschließlich erneuerbarer Energieträger und Atomenergie.
Einer der Verträge wurde zwischen dem Präsidenten der größten privaten vietnamesischen Fluggesellschaft Vietjet, Nguyen Thi Phuong Thao, und dem Vorsitzenden von Airbus International, Wouter van Wersch, geschlossen und beinhaltet den Kauf von 20 Großraumflugzeugen A330neo. Ein Regierungsabkommen betrifft die Kooperation der Vietnam Academy of Science and Technology mit Airbus Defense and Space und dem französischen Nationalen Zentrum für Weltraumstudien zur Stationierung von Erdbeobachtungssatelliten. Mit einem Handelsumsatz von 5,42 Milliarden US-Dollar, der bis April 2025 um weitere 1,79 Milliarden US-Dollar anstieg, ist Frankreich Vietnams fünftgrößter EU-Handelspartner. Es betreibt 700 Investitionsprojekte mit einem Gesamtkapital von 3,95 Milliarden US-Dollar. Beide Seiten bekräftigten, den Freihandel ausbauen und das Freihandelsabkommen zwischen Vietnam und der EU (EVFTA) wirksam umsetzen zu wollen.
In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigen beide Seiten ihr Engagement »für den internationalen Frieden, die Sicherheit und die Stabilität«, inbegriffen die im Südchinesischen Meer (Ostmeer), sowie für die vollständige Einhaltung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (UNCLOS) von 1982 – eine Anspielung auf die vietnamesischen Ansprüche in dem Gebiet. Entgegen seinen Versuchen, eine »Koalition der Willigen« zur Fortsetzung des Krieges gegen Russland zu formieren, skizzierte Macron »die Bemühungen Frankreichs, rasch eine vollständige und bedingungslose Einstellung der Feindseligkeiten in der Ukraine zu erreichen«. Beide Länder betonten zudem, »wie wichtig es sei, in der Ukraine einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden im Einklang mit dem Völkerrecht und den in der Charta der Vereinten Nationen festgelegten Grundprinzipien zu erreichen«. Dass Vietnam an der Seite Putins steht und der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams, To Lam, an den Siegesfeiern am 9. Mai in Moskau teilgenommen hatte und Vietnam enge Beziehungen zu Beijing pflegt, war hierfür kein Hindernis. Die französische Seite agierte eher nach dem Prinzip des »Business es usual«.
Teil des Staatsbesuchs war eine Visite Macrons gemeinsam mit To Lam in dem vor fast tausend Jahren erbauten Literaturtempel Quoc Tu Giam, auf dessen Gelände auch die Nationale Universität Vietnams gegründet wurde. Danach pflanzten die beiden Politiker am Pfahlhaus des ehemaligen Präsidenten und Nationalhelden Ho Chi Minh im Garten des Präsidentenpalastes einen sogenannten Freundschaftsbaum.
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