Schutz mit Schlupflöchern
Von Ralf Wurzbacher
Wohnen dürfe »kein Luxusgut« werden, findet Bundesjustizministerin Stefanie Hubig. Deshalb bräuchten Mieterinnen und Mieter »Schutz, und den bekommen sie«, sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch. Kein Luxusgut? Schutz? Zu Wochenanfang hatten die Bank Berlin Hyp und das Maklerhaus CBRE ihren »Wohnmarktreport Berlin 2025« vorgelegt. Demnach zogen die Preise in der Hauptstadt im Vorjahr um im Schnitt zwölf Prozent gegenüber 2023 an. In den besten Lagen bewegten sich die Kosten pro Quadratmeter jenseits der 30 Euro, »auf einem Niveau wie in London oder Paris«, hielt die Berliner Morgenpost fest. »Und ein einzelnes Angebot in Weißensee riss sogar die 40-Euro-Schwelle.«
Am Mittwoch hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Verlängerung der sogenannten Mietpreisbremse auf den Weg gebracht. Zweck der seit 2015 geltenden Bestimmung soll es sein, »den Anstieg der Wohnraummieten in den Ballungsräumen zu verlangsamen«. Wie wäre wohl die Situation heute, hätten die Mieten »schnell« und »ungebremst« zugelegt? Jedenfalls sind Immobilienspekulanten auch mit der Regelung voll in Fahrt. Auf seiner Hauptversammlung am Mittwoch beglückte Europas größter Wohnungskonzern Vonovia seine Aktionäre mit einer um knapp 36 Prozent aufgestockten Ausschüttung. Den Jahresgewinn 2024 vor Steuern und Zinsen hat das Unternehmen auf 2,63 Milliarden Euro hochgeschraubt, Tendenz steigend. 2028 will man bis zu 3,5 Milliarden Euro einspielen. Auf Zeit online kommentierte ein Leser: »Dividende auf dem Rücken der Mieter. Das ist unanständig.«
Die Mietpreisbremse wäre bis Jahresende ausgelaufen, soll nun aber für einen »Übergangszeitraum« bis 2029 fortdauern. Die Formulierung ist ein Wink nach Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2019 Bedenken ob eines unstatthaften Eingriffs ins Eigentum von Hausbesitzern angemeldet. Verhältnismäßig sei dieser nur, wenn zeitlich begrenzt. Besserung versprechen sich Union und SPD von einer Erhöhung des Angebots, also dem durch Bauministerin Verena Hubertz (SPD) beschworenen »Wohnungsbauturbo«. Jedoch wirkten entsprechende Maßnahmen »nicht kurzfristig, sondern nur mittel- und langfristig«, was offenbar suggerieren soll: In fünf Jahren ist die Kuh vom Eis. Die Prognose erscheint gewagt. Vor acht Tagen hatte das Statistische Bundesamt einen neuen Tiefstand für 2024 bei den Fertigstellungen vermeldet. Mit 251.900 an der Zahl waren es 14,4 Prozent weniger als 2023. Und eine Trendwende erwarten Experten frühestens 2027.
Qua Gesetz darf in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt bei Neuvermietungen höchstens eine Miete zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Preise verlangt werden. Das Instrument ist allerdings weitgehend zahnlos. Kaum ein Mieter riskiert einen Rechtsstreit, wenn er eine Bleibe gefunden hat. Dazu kommen etliche Schlupflöcher, etwa im Falle möblierter Wohnungen und bei Kurzzeitvermietungen. Auch Indexmietverträge – gekoppelt an die Verbraucherpreise – sind ausgenommen, ebenso sämtliche nach 1. Oktober 2014 errichteten »Neubauten«. Beim Deutschen Mieterbund (MTB) hätte man sich deshalb ein »entschiedeneres Handeln« gewünscht. Es sei »erfreulich«, dass das Gesetz »jetzt umgehend verlängert wird«, äußerte sich Verbandspräsident Lukas Siebenkotten per Medienmitteilung. »Bedauerlich und unverständlich« sei indes die Beibehaltung der Ausnahmetatbestände. Auch dürfe der Mieterschutz »nicht wieder auf die lange Bank geschoben werden«.
Womöglich hatte es Hubig einfach nur sehr eilig. Ihre Vorlage beschränkt sich darauf, im fraglichen Passus des Bürgerlichen Gesetzbuches die Angabe »2025« durch »2029« zu ersetzen. Im parlamentarischen Verfahren werde man die weiteren Baustellen angehen, kündigte die Ministerin an. Zum Beispiel wolle die Koalition bei den Nebenkosten mehr Transparenz schaffen. »Auch Verträge mit Indexmieten werden wir strengeren Regeln unterwerfen, den Mieterschutz bei möblierten Wohnungen wollen wir verbessern«, so Hubig. Es gelte zu verhindern, dass ein Vermieter »zwei Stühle in eine leere Wohnung stellt und meint, dann deutlich höhere Preise verlangen zu können«.
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