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Aus: Ausgabe vom 30.05.2025, Seite 4 / Inland
Debatte über linke Politik

Das Parlament als Lautsprecher

In Hamburg sprach Peter Mertens über die Weltlage und die Entwicklung der PVDA/PTB
Von Martin Dolzer, Hamburg
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Peter Mertens bei einer Demonstration in Antwerpen (7.5.2024)

Linke Erfolge bei Parlamentswahlen, die nicht mit offener oder verklausulierter Anpassung erkauft bzw. bezahlt werden – in Belgien zumindest gibt es das. Am Mittwoch abend referierte und diskutierte Peter Mertens, Generalsekretär und Parlamentsabgeordneter der Partei der Arbeit Belgiens (PVDA/PTB), im Hörsaal der ehemaligen Hochschule für Wirtschaft und Politik (jetzt Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg) über Herausforderungen im globalen Kampf für menschenwürdige Verhältnisse. Rund 100 Menschen waren zu der Veranstaltung unter dem Motto »Meuterei lohnt sich – Brot, Frieden, Würde erkämpfen« erschienen. Veranstalter waren die Gruppen »Jour Fixe – Gewerkschaftslinke Hamburg«, »International solidarisch – Schluss mit Austerität« und »Seniorenaufstand/Rentenzukunft«.

Mertens sprach zur politischen Lage, über die Thesen seines Buches »Meuterei« und die Entwicklung der PVDA/PTB von einer außerparlamentarischen Kleinpartei in den 70er Jahren bis zur Partei mit Massenbasis und Ergebnissen von bis zu 20 Prozent bei Parlamentswahlen in Belgien seit 2015.

»Viele Menschen haben Angst aufgrund der Kriege in der Ukraine und im Mittleren Osten und der Wirtschaftskrise, die durch die zunehmende Militarisierung der Staaten in der EU weiter verstärkt wird«, betonte Mertens. Die Hegemonie der USA und ihrer Verbündeten werde insbesondere durch die Stärke Chinas im Verbund mit den BRICS-Staaten zunehmend in Frage gestellt. Die EU sei der größte Verlierer eines seitens der USA aggressiv zugespitzten Hegemoniekampfes. »Wir sollten als linke Parteien der Arbeiterklasse Selbstbewusstsein vermitteln«, so Mertens: »In einer tiefen Krise sollte man offensiv Kritik an den bestehenden Verhältnissen und der herrschenden destruktiven kapitalistischen Politik benennen und eigene Perspektiven für eine sozialistische Gesellschaft aufzeigen. Protest und Kritik darf man nicht den Rechten überlassen.« Rechte Parteien wie Vlaams Belang in Belgien könne man am besten dadurch bekämpfen, dass man sie politisch stelle und Menschen, die diese Parteien nicht aus Überzeugung, sondern aus Verwirrung wählen, von einer sozialistischen Perspektive überzeuge. Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch ein stärkeres gemeinsames Handeln mit den Arbeiterparteien im globalen Süden.

Die positive Entwicklung der PVDA/PTB habe mit guter gesellschaftlicher Verankerung und der Praxisorientierung, zu der auch konkrete Hilfe für die Bevölkerung gehöre, zu tun. Auch habe die Partei sich erneuert und ihre Praxis strategisch und taktisch neu ausgerichtet. Die PVDA/PTB sei eine Partei der Arbeiterklasse, eine kommunistische Partei, in der auch Funktionäre und Kader aus der Arbeiterklasse kommen – und nicht wie so oft bei anderen linken Parteien in Europa aus Kreisen, die die Arbeiter »vertreten« wollen, aber keinerlei reale Verbindung zur Arbeiterklasse haben, spätestens dann nicht mehr, wenn diese »Vertreter« in einem Parlament angekommen sind.

Mertens ergänzte: »Das Parlament ist lediglich ein Megafon. Unsere Politik wird von der Basis auf Mitgliederversammlungen diskutiert und entschieden. Alle haben sich an die Beschlüsse zu halten. Das ist ein starkes Fundament, auf dem wir aufbauen. Wir gehen nicht davon aus, dass wir die einzigen sind, die die Wahrheit gepachtet haben. Wir entwickeln unsere Praxis schrittweise mit den Gewerkschaften und Bewegungen weiter.« Mertens wies außerdem darauf hin, dass die PVDA/PTB in Belgien, wo inzwischen vor allem partikularistische Politik entlang der Sprachgrenze gemacht wird, einen großen Vorteil hat: Die Partei ist »im flämischen und im französischen Teil Belgiens die gleiche Partei. Das ist im belgischen Parteiensystem einmalig.« Auch das zeige: Für den Erfolg linker Kräfte sei eine klare strategische Ausrichtung auf der Grundlage der Kenntnis und Analyse der jeweils eigenen gesellschaftlichen Verhältnisse notwendig.

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