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Aus: Ausgabe vom 28.05.2025, Seite 6 / Ausland
Niederlande

Ultimatum an eigene Regierungskoalition

Niederlande: Wilders will schärfere Asypolitik und droht mit Ausstieg
Von Gerrit Hoekman
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Premier Dick Schoof (l.) und Geert Wilders (r.) im Parlament in Den Haag

Der niederländische Rechtsaußen Geert Wilders droht wieder einmal mit dem Ende der Regierungskoalition. »Unsere Geduld ist am Ende«, sagte er am Montag auf einer überraschend einberaumten Pressekonferenz. »Wir und niemand anders hat die Wahl gewonnen.« Sollte das Kabinett des parteilosen Ministerpräsidenten Dick Schoof nicht innerhalb der nächsten Wochen die Grenzen für Asylsuchende komplett dichtmachen, dann werde seine Partei, die PVV, die Viererkoalition verlassen. »Die PVV war im vergangenen Jahr sehr vernünftig und geduldig, aber ab heute sind die Samthandschuhe ausgezogen«, kündigte Wilders an. Er will den Familiennachzug aussetzen, und, weil Syrien nun sicher sei, alle Syrer im kommenden halben Jahr in ihre Heimat zurückschicken. »Falls nötig mit Gewalt.« Welche Staaten als sicher gelten, bestimmt allerdings nicht Wilders, sondern das Außenministerium, das von Caspar Veldkamp von der Partei Nieuw Sociaal Contract (NSC) geleitet wird.

Der Rechtspolitiker will zudem möglichst viele Asylzentren schließen. Das Problem: Mangels Alternativen auf dem Wohnungsmarkt verbleiben viele anerkannte Asylsuchende wohl oder übel in den Zentren. Zwar genießen sie bei der Vergabe von Sozialwohnungen Vorrang, aber der Wohnungsmarkt gibt nichts mehr her. Dennoch will Wilders die Bevorzugung abschaffen. Asylberechtigte sollten bei Familienangehörigen, Landsleuten oder sonst irgendwo unterkommen. Eine weitere Forderung: »Wir sollten Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, die ein Gewalt- oder Sexualverbrechen begehen, abschieben können.« Dazu müsse ihnen die niederländische Staatsbürgerschaft entzogen werden. Das gelte auch für Marokkaner, die in den Niederlanden geboren sind. »Was Wilders vorschlägt, ist derzeit rechtlich nicht möglich, da es gegen Verträge verstößt«, stellte die Tageszeitung Het Parool fest.

Am 9. Dezember 2024 hatten die Niederlande – wie auch die Bundesrepublik drei Monate zuvor – die Kontrollen an den Übergängen zu Belgien und Deutschland verschärft. Sie waren ursprünglich für ein halbes Jahr angeordnet, wurden aber inzwischen bis kommenden Dezember verlängert. Die niederländischen Grenzbeamten der Königlichen Marechaussee sind aber jetzt schon am Rande ihrer Kapazitäten. Wilders hält es deshalb für möglich, die Armee für die Kontrollen einzusetzen. Er teilte auch gegen Städte aus, die palästinasolidarische Demonstrationen erlauben: »Wenn Bürgermeister es nicht schaffen, die Polizei ihre Arbeit machen zu lassen, bin ich der Meinung, dass eine Entlassung möglich sein sollte.«

Es ist nicht das erste Mal, dass der Politiker mit dem Bruch der Koalition droht. Doch diesmal könnte er Ernst machen, denn das Murren seiner Wähler wird lauter. Im Wahlkampf war ihnen immerhin die strengste Asylpolitik in der Geschichte der Niederlande und Europas versprochen worden. Aktuellen Meinungsumfragen zufolge verliert seine Partij voor de Vrijheid, die nach dem Wahlsieg im November 2023 stärkste Regierungspartei, an Zustimmung. Darum will er den Koalitionsvertrag nachverhandeln. Neben der PVV gehören auch die rechtsliberale Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), der Nieuw Sociaal Contract (NSC) sowie die agrarlobbyistische Boer Burger Beweging (BBB) zur Regierung.

NSC-Vorsitzende Nicolien van Vroonhoven reagierte am Dienstag verhalten: »Ich sehe keinen Sinn darin, diese Maßnahmen wieder aufzuwärmen. Ich werde zuhören und hinschauen. Aber meine Grenzen sind klar.« Die christlich-liberale Partei ist in der Koalition der Gegenpol zur ultrarechten PVV. Sie gewann aus dem Stand 20 Sitze und wurde viertstärkste Partei. Inzwischen geben ihr die Umfragen nur noch maximal zwei Sitze. Die Wähler nehmen ihr anscheinend übel, dass sie mit der Wilders-Partei in einer Koalition ist. Weil sich Pieter Omtzigt, der Gründer und Star der Partei, im April wegen seiner Burnout-Erkrankung aus der Politik zurückgezogen hat, sieht die Zukunft des NSC noch finsterer aus.

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