Die To-do-Liste des Generals
Von Philip Tassev
Mit der am 18. März beschlossenen Grundgesetzänderung hat der Bundestag die quasi grenzenlose Neuverschuldung für Aufrüstungszwecke genehmigt. Welches Kriegsgerät mit diesen Schulden konkret angeschafft werden soll, bestimmen letztlich aber andere. Jemand, der dabei ein Wörtchen mitzureden hat, ist Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr. Der hat in einer am Montag von Politico veröffentlichten »Weisung zur Steigerung der Einsatzbereitschaft« festgelegt, wo dabei die Prioritäten der Truppe liegen müssen. Ganz oben auf der To-do-Liste des Generals: Luftverteidigung, Munitionsbeschaffung und die Fähigkeit zu »Deep Precision Strikes«. Übergeordnetes Ziel ist die »maximale Steigerung der Einsatzbereitschaft bis 2029 durch Vollausstattung und Digitalisierung aller Truppenteile«. 2029 ist das Jahr, das regelmäßig von NATO-Propagandisten als der Zeitpunkt genannt wird, an dem die russische Armee stark genug sei, die transatlantische Kriegsallianz »herauszufordern«.
Dass die Lufthoheit ein entscheidender Faktor im modernen Krieg ist, hat schon der letzte Weltkrieg gezeigt. Mit dem massenhaften Einsatz von relativ günstigen Drohnen hat diese Bedeutung noch weiter zugenommen, wie der Krieg in der Ukraine eindrucksvoll demonstriert. Für Breuer hat deshalb die »Stärkung des Schutzes vor Bedrohungen aus der Luft« höchste Priorität – »insbesondere zur Abwehr von fliegenden Drohnen und Drohnenschwärmen«, aber nicht nur. Bekanntlich hat Russland beim Einsatz von Hyperschallraketen einen großen Vorsprung vor den Armeen der NATO-Staaten, weshalb der Generalinspekteur auch die »Integrierte Raketenabwehr« dringend gestärkt sehen möchte. Dafür wird zur Zeit beispielsweise das israelische »Arrow 3«-Raketenabwehrsystem beschafft. Der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, hatte Anfang des Monats höchstpersönlich erste Teile des Systems beim Hersteller IAI in Tel Aviv in Empfang genommen.
Auch die »Schließung bestehender Lücken in den Munitionsvorräten« findet sich weit oben auf Breuers Prioritätenliste. Die NATO-Planer beklagen schon länger, dass die umfangreiche Waffenhilfe für Kiew die Bestände in den Arsenalen ziemlich dezimiert hat. Das gilt vor allem für Artilleriemunition im NATO-Standardkaliber 155 Millimeter. Rüstungskonzerne wie Rheinmetall sind gerade dabei, ihre Produktionskapazitäten in diesem Bereich stark auszubauen.
Doch Breuer weiß, dass mit Geschützen allein dem Russen nicht beizukommen ist. Daher hat er auch dem »Aufbau der Fähigkeit zum weitreichenden und präzisen kinetischen Wirken« allergrößte Wichtigkeit zugeschrieben. Sogenannte Deep Precision Strikes bezeichnen Angriffe auf Ziele tief im Hinterland des Gegners – weitab vom Kampfgeschehen an der Front. Als mögliche Angriffsziele wurden in der Vergangenheit zum Beispiel russische Raketensilos oder Abschussrampen genannt. Abgesehen davon, dass Attacken auf Russlands strategische Raketenstreitkräfte fast sicher zur nuklearen Eskalation führen würden, besitzt die Bundeswehr die dafür benötigten weitreichenden Raketen bisher nicht. Die deutsche Regierung hat deshalb eine Militärkooperation mit London vereinbart, um gemeinsam »weitreichende Abstandswaffen« mit einer Reichweite von über 2.000 Kilometern zu entwickeln.
Neben diesen drei Punkten mit »höchster Priorität« – Luftverteidigung, Munition, Langstreckenraketen – finden sich in Breuers Weisung weitere Bereiche, denen der Generalinspekteur eine »hohe Priorität« beimisst. Dazu zählen unter anderem die Beschaffung von eigenen Drohnen, der »zügige Ausbau« der Fähigkeit zur elektronischen Kampfführung (vor allem zur Drohnenabwehr), der Ausbau der »Luftangriffskapazität, inkl. Nuklearer Teilhabe« und natürlich die »Sicherstellung der Aufwuchsfähigkeit« der für einen Krieg gegen Russland erforderlichen Kräfte »durch Wehrdienst, Reserve und Heimatschutzkräfte«.
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