Angebot und Nachdruck
Von Jörg Kronauer
Nach der Rücknahme der jüngsten Zolldrohung von US-Präsident Donald Trump ist am Montag eine EU-Delegation zu Verhandlungen über den Zollkonflikt in Washington erwartet worden. Trump hatte am Freitag (Ortszeit) zunächst angekündigt, ab dem 1. Juni Zölle in Höhe von 50 Prozent auf alle Einfuhren aus der EU kassieren zu wollen – dies offenkundig, um in den aktuell in Schwung kommenden Gesprächen den Druck auf Brüssel zu erhöhen. Nach einem Telefonat mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag nahm er seine Drohung zurück und terminierte die Deadline für die Verhandlungen nun auf den 9. Juli. Ob von der Leyen dafür Zugeständnisse machte und wenn ja, welche, ist nicht bekannt. Die EU-Delegation, die die Gespräche am Montag in Washington fortsetzen wollte, wird vom Vorsitzenden des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), geführt.
Vor von der Leyens Telefonat mit Trump hatte Brüssel Washington, wie ein Bericht des Handelsblatts bestätigt, vor allem dreierlei angeboten: den Import von mehr Flüssigerdgas als bisher, die Senkung der Zölle unter anderem auf Autos und bestimmte Agrarprodukte, den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse etwa bei der Fahrzeugzulassung. Zudem deutete die EU eine gewisse Offenheit für eine stärkere Beteiligung am US-Wirtschaftskrieg gegen China an. Trump hatte genau das in einem offenbar größeren Umfang gefordert und darüber hinaus Vorzugsbedingungen für die US-Techriesen von Amazon über Google bis Netflix sowie die Aufhebung der gegen sie verhängten Strafen verlangt. Das geht aus einem Bericht des Wall Street Journal hervor. Offiziell lehnt die EU das bislang ab. Zugleich werden Forderungen lauter, den Druck vor allem auf die US-Internetkonzerne zu erhöhen. Neben dem bereits gepackten EU-Gegenzollpaket auf Importe aus den USA von gut 21 Milliarden Euro ist ein weiteres in Arbeit, das 95 Milliarden Euro erreichen soll.
Die US-Zölle waren auch Schwerpunkt beim Gipfeltreffen des südostasiatischen ASEAN-Bündnisses, das am Montag in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur stattfand. Die ASEAN-Staaten zählen zu denen, die am härtesten von den am 2. April verhängten, dann für 90 Tage ausgesetzten Zöllen betroffen sind: mit Sätzen von bis zu 49 Prozent für Kambodscha. Mit ihrem überwiegend exportgetriebenen Wachstumsmodell sind sie stark von Ausfuhren in die USA abhängig. Einige, vor allem Vietnam und Thailand, sind mit bilateralen Verhandlungen mit Washington vorgeprescht. Auf ihrem Gipfel setzten die ASEAN-Staaten das Bemühen fort, ihr weiteres Vorgehen zu koordinieren.
Gegenzölle planen die ASEAN-Staaten dabei nach aktuellem Stand nicht. Sie setzen statt dessen darauf, die Exportziele von den USA weg zu diversifizieren. Zum einen beschlossen sie jetzt Upgrades für den Warenhandel innerhalb von ASEAN und für den Freihandel mit China. Zum anderen suchen sie nach neuen Handelspartnern. An diesem Dienstag findet der bereits zweite ASEAN-Gipfel mit den Staaten des Golf-Kooperationsrats (GCC) statt, dem etwa Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar angehören. Daran schließt eine Premiere an: ein ASEAN-GCC-China-Treffen, zu dem Chinas Premierminister Li Qiang in Kuala Lumpur eingetroffen ist. Malaysias Premierminister Anwar Ibrahim hatte den ASEAN-Gipfel am Montag mit der Feststellung eröffnet, »die geopolitische Ordnung« sei »im Wandel begriffen«. Die ASEAN-Aktivitäten in Kuala Lumpur beweisen es.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (26. Mai 2025 um 21:16 Uhr)Der sogenannte »Zollkrieg« ist mehr als nur wirtschaftspolitisches Geplänkel – er offenbart tiefere geopolitische Absichten. Präsident Trump nutzt Handelspolitik offenbar gezielt, um die finanzielle Last der enormen US-Staatsverschuldung auf andere Länder – ob Partner oder Rivalen – zu verlagern. Seine aggressiven Forderungen in bilateralen Gesprächen, etwa mit der EU oder Staaten im Nahen Osten, deuten darauf hin, dass wirtschaftlicher Druck als Hebel für finanzielle Entlastung der USA dient. Besonders frappierend: Während er noch 2024 über Selenskyj als »besten Geschäftemacher« spottete, übertraf Trump sich im Mai 2025 bei seiner Golfstaatenreise selbst – mit milliardenschweren Deals und Finanzzusagen, die er geschickt für US-Vorteile einzusetzen wusste. Die zentrale Frage bleibt, ob die Welt bereit ist, diese Strategie mitzutragen – freiwillig oder unter Druck.
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