Große Streikbereitschaft bei DHL
Von Yaro Allisat
Die DHL-Beschäftigten am Flughafen Leipzig/Halle (LEJ) sind wütend. In der ersten Verhandlungsrunde am 9. Mai hatte die Kapitalseite keinerlei Angebot vorgelegt. Demgegenüber steht die Forderung der Beschäftigten nach einer Erhöhung der Entgelttabelle um zwölf Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Deshalb hatte die Gewerkschaft Verdi bereits am vergangenen Freitag, schon vor der zweiten Verhandlungsrunde am Montag und Dienstag zum Streik aufgerufen. Die DHL-Geschäftsführung bezeichnete die Forderungen als »völlig unrealistisch«. Sollte auch in der zweiten Verhandlungsrunde kein ernstzunehmendes Angebot des Unternehmens folgen, sei man auf jeden Fall streikbereit, so Normen Schulze, Landesfachbereichsleiter bei Verdi.
Laut Schulze sei die Erwartung, was die Zahl der Streikteilnehmenden angehe, bereits in der Frühschicht am Freitag übertroffen worden. 2.500 Arbeiter von den 6.000 Angestellten hatten laut Verdi bereits vorher ihre Streikbereitschaft signalisiert.
Schon im Februar hatten die Arbeiter bei DHL, darunter Packer, die bei jedem Wetter auf dem Rollfeld oder in Schichtarbeit am Band stehen, in einer Petition eine Lohnerhöhung gefordert. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und des hohen Pensums, das die Beschäftigten am LEJ leisten, unterschrieben 3.224 Beschäftigte das Papier. Schon damals startete die DHL-Geschäftsführung zum Gegenangriff: Gegenüber der Leipziger Volkszeitung (LVZ) äußerte DHL-Sprecher Matthias Persson, man sei »verwundert«, warum die Tarifverhandlungen durch eine Petition eingeläutet würden.
Kurz nach der ersten Verhandlungsrunde hatte die Geschäftsführung zudem geäußert, man halte den Streik für überzogen, er schade dem Wirtschaftsstandort in einer schwierigen Krisenzeit – ein klassisches Sabotageargument, das Unternehmer in Zeiten des Arbeitskampfes anführen, um die Streikbereitschaft zu senken. Laut DHL setze man Maßnahmen um, um »internationale, humanitäre und medizinisch notwendige Sendungen« passieren zu lassen. Dafür gibt es, wie im Streik üblich, eine Notdienstvereinbarung.
So viele hätten gestreikt, so Normen Schulze gegenüber jW, dass Beschäftigte vom Ausstand wieder zum Arbeitsplatz gehen mussten, um die Notdienstvereinbarung einzuhalten. Zur Kundgebung der Frühschicht seien dem Streikleiter zufolge 200 Menschen angemeldet gewesen. Insgesamt hätten sich laut Schulze 1.285 Beschäftigte über den Tag verteilt an der Arbeitskampfmaßnahme beteiligt.
Angekündigt hat sich als Vertreter der Linkspartei der Landtagsabgeordnete auch Nam Duy Nguyen. »9,3 Milliarden Euro hat DHL 2023 erwirtschaftet«, so Nguyen gegenüber jW. »Und dieser Profit ging zum großen Teil und wortwörtlich durch die Hände der Beschäftigten des Leipziger DHL-Standorts. 2,1 Milliarden Euro wurden allein dieses Jahr als Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet.« Eine kämpfende Belegschaft zeige zudem, dass Klassensolidarität mehr Kraft entfalte als Spaltung, weshalb Die Linke den Streik unterstütze.
Bei DHL wurde seit Jahren nicht gestreikt. Deshalb versucht Verdi nun, den Streik mit Organizing-Methoden von unten aufzubauen und eine breite Basis bei den Beschäftigten zu schaffen, so ein Vertrauensmann gegenüber jW. Der Streik könnte auch die Unzufriedenheit mit der Gewerkschaft senken, die Tarifauseinandersetzungen in den vergangenen Jahren immer ohne Streiks beigelegt hatte.
Der Leipziger Standort ist weltweit das größte von drei DHL-Hubs. In der Vergangenheit kam es zu Protesten von Klimaaktivisten, da DHL keine CO2-Emissionsgrenzen einhalten muss, und von Anwohnern, die für ein Nachtflugverbot kämpfen. Politisch wird immer wieder argumentiert, dass der Flughafen ein wichtiger Faktor für den Wirtschaftsstandort sei, weshalb man DHL keine härteren Bedingungen auferlegen könne.
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