Druck auf Beirut steigt
Von Karin Leukefeld
Die libanesische Regierung steht unter dem Druck von USA, Israel und europäischer Staaten, sämtliche Kriegsgründe aus israelischer Sicht – darunter auch die Waffen der Palästinenser und ihr Recht auf Rückkehr – zu beseitigen. Drei Tage lang besuchte nun Mahmud Abbas, der Vorsitzende der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), auf Einladung von Präsident Joseph Aoun drei Tage lang den Libanon, um Gespräche über die Zukunft der dort lebenden palästinensischen Flüchtlinge zu führen.
Bei den Gesprächen ging es um die Entwaffnung aller palästinensischen Organisationen und deren politische Aktivitäten. Besprochen wurden die Sicherheit und die soziale und medizinische Versorgung. Für die Lager gilt palästinensische Souveränität, der Zugang wird vom libanesischen Militär kontrolliert. Im Libanon werden rund 500.000 Palästinenser in zwölf Flüchtlingslagern von der UN-Hilfsorganisation UNRWA versorgt. Sie unterhalten Schulen, Kliniken, Kindergärten und Ausbildungsstätten und gehören zu den wichtigsten Arbeitgebern für Palästinenser.
Berichten libanesischer Medien ist zu entnehmen, dass die Lager aufgelöst, die Palästinenser eingebürgert und in städtische Bezirke des Landes integriert werden sollen. Damit würde die palästinensische Nationalität, die Grundlage für einen eigenen Staat und das Recht auf Rückkehr eliminiert, die Arbeit der UNRWA würde hinfällig. Zur Kontrolle der Waffen in den Flüchtlingslagern gibt es verschiedene Vorschläge. Einerseits soll Libanon seine Autorität auf die Lager ausdehnen und die Waffen einsammeln, andererseits ist die Rede von einem libanesisch-palästinensischen Komitee, das die Kontrolle der Waffen in den Lagern übernehmen soll, mit dem Ziel, sie der libanesischen Regierung zu übergeben.
Abbas forderte, alle Sicherheitsfragen ausschließlich mit der PLO zu koordinieren. Das werde auch von Washington akzeptiert, wie »alles, was den Staat Israel nicht« bedrohe. »Die Zeit der Waffen ist vorbei«, habe Abbas zu Präsident Aoun gesagt, hieß es in der Tageszeitung Al-Akhbar unter Berufung auf »Quellen«, die an dem Gespräch teilgenommen hatten. Alles, was die libanesische Regierung unternehme, um die Lager zu entwaffnen, werde von ihm unterstützt. Lediglich eine gewaltsame Entwaffnung lehne er ab.
Der Sicherheitsrat in Beirut hatte bereits zuvor erklärt, dass das libanesische Territorium nicht für Angriffe auf Israel – aus Sicht der Palästinenser besetztes palästinensisches Territorium – benutzt werden dürfe und verfolgt werde. Zwar unterstütze man die Sache der Palästinenser, hatte Präsident Aoun erklärt, doch Libanon habe »einen hohen Preis dafür bezahlt«, das müsse aufhören. Um die Lage allgemein zu beruhigen, koordinierten sich die libanesischen Einsatzkräfte mit der Hamas, so Aoun.
Außenminister Jussef Radschi hingegen forderte, alle Hamas-Büros im Libanon zu schließen und bei der Entwaffnung der Organisationen hart durchzugreifen. Damit soll der Libanon offenbar Syrien folgen, das unter der Führung des »Interimspräsidenten« Ahmed Al-Scharaa die Entwaffnung aller palästinensischen Organisationen und die Ausweisung einiger Organisationen – darunter die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), »Islamischer Dschihad« und Hamas – angeordnet hat. Wie im Libanon steht auch in Syrien die Auflösung der Lager und die Einbürgerung von Palästinensern auf der Tagesordnung. Vor seiner Abreise am Wochenende betonte Abbas vor Vertretern der palästinensischen Zivilgesellschaft, die Lager unterstünden dem libanesischen Staat und der Armee, die Anwesenheit der Palästinenser sei vorübergehend, bis sie in ihre Heimat zurückkehrten.
Im Juni wird die stellvertretende US-Gesandte für den Nahen und Mittleren Osten, Morgan Ortagus, in Beirut erwartet. Die aktiv an der Ausarbeitung der Abraham Accords beteiligte Politikerin wird der Regierung die Forderungen der USA, Israels und europäischer Partner vorlegen: Neben Entwaffnung und Auflösung der Lager zugunsten einer allmählichen Einbürgerung soll mit Israel ein Friedensabkommen geschlossen werden, hieß es bei Al-Akhbar unter Berufung auf »libanesische Sicherheitskreise«. Das sei die »Voraussetzung« dafür, dass Israel sich aus dem südlichen Libanon zurückzieht und ein Waffenstillstand vereinbart werde.
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