Rechts gegen rechtsaußen
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
Am Sonntag – zwischen den beiden Wahlgängen um die Präsidentschaft in Polen – haben beide Seiten ihre Anhängerschaft mobilisiert. Zwei Großdemonstrationen marschierten um die Mittagszeit bei sonnigem Wetter in gegensätzlicher Richtung und mit einem Abstand von etwa einem Kilometer voneinander durch das Warschauer Zentrum: verlässliche Angaben zu den Teilnehmerzahlen gab es lange nicht. Später nannte die Warschauer Polizei 100.000 Anhänger Rafał Trzaskowskis und 50.000 seines rechten Gegenkandidaten Karol Nawrocki. Die Veranstalter der Nawrocki-Demo beanspruchten für sich eine Teilnehmerzahl von 150.000; es war aber beim Blick auf die Abschlusskundgebungen mit bloßem Auge zu erkennen, dass zu Trzaskowski erheblich mehr Leute gekommen waren als zu Nawrocki.
Die Leitmotive beider Demonstrationen waren fast identisch: Trzaskowski hatte zum »Marsch polnischer Patrioten« geladen, Nawrocki zum »Marsch für Polen«. Über beiden Demonstrationen wehten Meere polnischer Fahnen, bei den Liberalen auch solche der EU. Bei Nawrocki dagegen wurden zusätzlich US-Flaggen geschwenkt. Die sonst bei rechten Aufmärschen allgegenwärtigen Fußballhooligans waren diesmal nicht vertreten oder traten zumindest nicht in Erscheinung. Über Zwischenfälle wurde jedenfalls nichts bekannt.
Bei der Auftaktkundgebung für Trzaskowski sprachen auch zwei in der ersten Runde ausgeschiedene linke Bewerberinnen. Magdalena Biejat vom mitregierenden Linksbündnis rief auch die mit der bisherigen Regierungsarbeit Unzufriedenen dazu auf, an der zweiten Wahlrunde teilzunehmen, und versprach: »Eure Stimme wird für uns keine Trophäe sein, sondern eine Verpflichtung«. Nach ihr sprachen auch der Parteichef der Linken, Włodzimierz Czarzasty, und die Einzelkandidatin Joanna Senyszyn. Sie wurde mit Begeisterung begrüßt und steigerte die Stimmung noch, als sie der Ehefrau Trzaskowskis eine rote Kunstkorallenkette von der Art über den Kopf streifte, wie sie im Wahlkampf ihr Erkennungszeichen gewesen war. Anders als bei der Präsidentschaftswahl 2020 bekannten sich diesmal auch Sejm-Marschall Szymon Hołownia und der Chef der konservativen Bauernpartei, Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz, zur Unterstützung für Trzaskowski.
Es war deutlich, dass die Regierungskoalition bestrebt war, sich als breites Bündnis aller demokratischen Kräfte zu präsentieren. Auf Schildern zeigten die Teilnehmenden, woher sie gekommen waren; dabei fiel auf, dass Schilder mit Ortsnamen aus der tiefen bis allertiefsten Provinz besonders gern im Fernsehbild vorgeführt wurden. Das sollte eine Verankerung der Trzaskowski-Unterstützer in der Fläche suggerieren, die von den Ergebnissen des ersten Wahlgangs nicht unbedingt gedeckt ist. Am 18. Mai hatte Trzaskowski im Norden und Westen Polens, in den Großstädten und deren »Speckgürteln« vorn gelegen, Nawrocki dagegen im Süden und Osten und auf dem Land.
Auf der Demonstration für Karol Nawrocki zeigten sich auch Anhänger des Marktradikalen Sławomir Mentzen und des Antisemiten Grzegorz Braun. Nawrocki beschwor seinen »guten Draht zu Gott« und die Notwendigkeit, bei der Präsidentenwahl ein Gegengewicht zur Regierungskoalition zu bilden; deren Vertreter riefen dazu auf, mit der Wahl Trzaskowskis angesichts der Bedrohung durch den »Krieg an unserer Grenze« die Möglichkeit zum geschlossenen Handeln von Regierung und Präsident zu schaffen.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Kacper Pempel/REUTERS20.05.2025
Enges Rennen in Polen
- Kacper Pempel/REUTERS13.05.2025
Es wird knapp
- Marcin Stepien/Agencja Wyborcza.pl via REUTERS11.04.2025
Der Trump aus Toruń