Hauen und Stechen in Manila
Von Rainer Werning
Wie nie zuvor in der Geschichte des südostasiatischen Inselstaates sind die am kommenden Montag stattfindenden Halbzeitwahlen in den Philippinen von Gewalt und Polarisierung geprägt. Am 12. Mai entscheidet sich, wie die Besetzung der Hälfte des Senats (zwölf Sitze) und des gesamten Repräsentantenhauses aussehen wird. Darüber hinaus sind Tausende von regionalen und lokalen Vertretern zu wählen. Das Besondere an dieser Wahl: Die oberste Staatsführung ist sich spinnefeind und bekämpft sich bis auf’s Messer.
Einst himmelhochjauchzend als »Einheitsteam« verbündet, jetzt heillos zerstritten – während des Präsidentschaftswahlkampfs im Frühjahr 2022 bildeten Ferdinand Marcos Jr., der Sohn von Expräsident und Diktator Ferdinand Marcos Sr. (1965–1986), und Sara Duterte, die Tochter des just aus dem Amt geschiedenen Präsidenten Rodrigo Duterte, noch ein politisches Traumpaar, das auf Sieg geeicht war.
Zwar entstammten beide Kandidaten unterschiedlichen politischen Parteien, doch geeint waren sie im Sinne einer auf Gegenseitigkeit basierenden Familienfreundschaft. Der traditionell mächtige Familienclan der Marcos aus dem hohen Norden des Landes hatte sogar dem wirtschaftlich weniger potenten Clan der Dutertes aus dem tiefen Süden finanziell unter die Arme gegriffen und so erst den Wahlsieg von Rodrigo Duterte im Jahr 2016 ermöglicht. Dies veranlasste den frisch gebackenen Präsidenten Duterte im Gegenzug dazu, dem Leichnam des 1989 im Hawaiier Exil verstorbenen Marcos Sr. eine würdevolle letzte Ruhestätte zu verschaffen. Bis zum Herbst 2016 waren die sterblichen Überreste des Exdiktators in einem Mausoleum in dessen Geburtsort Batac im Norden von Manila aufbewahrt. Am 18. November 2016 gab der neue Präsident der Luftwaffe und dem Militär die Order, Marcos’ Leichnam in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf dem Libingan ng mga Bayani (Heldenfriedhof von Manila) zu bestatten.
Bis zum Herbst 2023 deutete alles darauf hin, dass das Marcos-Duterte-Tandem alles in seinen Kräften Stehende in Bewegung setzt, um nach der sechsjährigen Amtszeit von Marcos Jr. im Jahre 2028 die Inthronisierung von Sara Duterte als neue Staatschefin zu garantieren. Doch die Vizepräsidentin und Duterte-Tochter geriet seit dem letzten Quartal 2023 heftig unter Beschuss. Ihr wurde vorgeworfen, in großem Stil öffentliche Gelder veruntreut zu haben. Im Juni 2024 erklärte sie plötzlich ihren Rücktritt als Erziehungsministerin, ein Amt, das sie neben ihrer Vizepräsidentschaft innehatte. Auch in dieser Funktion soll sie Budgetzuwendungen nicht sach- und fachgerecht abgerechnet haben.
Während die Vizepräsidentin allerorten politische Intrigen im Spiel wähnte, ging ihr Vater so weit, Marcos Jr. wiederholt als »verzogenen Sohn«, »Taugenichts« und »Kokser« anzugreifen. Als Vater und Tochter Duterte im Herbst 2024 anlässlich anberaumter Anhörungstermine vor dem Kongress aussagen mussten, reagierten beide auf ihre eigene Weise. Die Vizepräsidentin sprach dem Gremium jedwede Legitimität ab, während der Expräsident seine Auftritte als Bühne nutzte, um seinen früheren »Krieg gegen die Drogen« zu rechtfertigen. Auf die Frage, ob er der Polizei direkt befohlen habe, Drogenverdächtige zu töten, bestätigte er das unmissverständlich. Er habe Polizisten sogar angewiesen, Verdächtige zum Gegenangriff zu provozieren, damit sie sich auf »Selbstverteidigung« berufen konnten. Nicht vor einem philippinischen Gericht, sondern in der Obhut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag wird seit Mitte März nunmehr gegen den dort einsitzenden Expräsidenten wegen Mordes, Beihilfe zum Mord sowie Verbrechen gegen die Menschheit ermittelt.
Derweil muss Vizepräsidentin Duterte um ihre Position bangen, da allein bis Anfang Februar 2025 vier Amtsenthebungsverfahren gegen sie eingeleitet wurden. Darüber entscheidet letztlich der Senat mit einer Zweidrittelmehrheit. Ob diese Majorität gegen sie zustande kommt, entscheidet sich in der nächsten Woche.
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