Der »Aktionsplan« soll es richten
Von Julius Leisten
Es ist ein einziger Absatz im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Man werde, so heißt es dort, den »Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit« (NAP) umsetzen. Mehr nicht. Der unter Ampelbauministerin Klara Geywitz veröffentlichte NAP soll Wohnungslosigkeit in der BRD bis 2030 überwinden. Doch vermittelt er streckenweise den Eindruck, die Regierung gedenke Wohnungslosigkeit in Gesprächskreise und »Runde Tische« zu verlagern.
Doch auch sinnvolle Absichten sind festgeschrieben, etwa Prävention durch höhere Wohngeldzahlungen, »Housing First«-Ansätze und bessere Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Auch, dass die neue Bundesregierung in den ersten 100 Tagen einen »Wohnungsbauturbo« entwerfen und den sozialen Wohnungsbau ausbauen will, klingt nach Fortschritt.
Doch wie viele Wohnungen gebaut werden sollen, bleibt offen. Ebenso fehlen klare Ziele und ein Finanzierungsrahmen. Wohnungslosigkeit kann nicht bekämpft werden, ohne der Privatisierung öffentlichen Wohnraums und dem Schwinden des Anteils von Sozialwohnungen Einhalt zu gebieten. Eine Zielstellung der Regierung dazu findet sich nicht. Doch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ermittelte 2024 eine verheerende Bilanz: Von über vier Millionen Sozialwohnungen im Jahr 1989 waren 2023 noch etwa 1,1 Millionen übrig. Jährlich fallen rund 60.000 weitere aus der Sozialbindung, nur 20.000 bis 25.000 neue kommen hinzu.
Das Bündnis »Soziales Wohnen« schätzte den akuten Bedarf an Sozialwohnungen im vergangenen Jahr auf 910.000 Einheiten. Ihn zu decken, und den jährlichen Abfluss aus der Sozialbindung zu kompensieren, bräuchte es 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr – dauerhaft gebunden, in öffentlicher oder gemeinwohlorientierter Hand. Im Jahr 2023 wurden insgesamt nur rund 22.500 Sozialwohnungen gebaut. Auch ein »Wohnungsbauturbo« kann nicht wirksam sein, liegt sein Fokus nicht auf gemeinwohlorientiertem Bauen: Schnellere Genehmigungen für Luxusapartments sorgen nicht für Abhilfe.
Dem Statistischen Bundesamt zufolge wenden 16,5 Prozent aller Haushalte mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Miete auf – die Schwelle zur Überlastung. Zwar will die Regierung die »Mietpreisbremse« für die Dauer ihrer Legislatur verlängern. Um Wohnungsverluste zu verhindern, bräuchte es aber zusätzlich ein Kündigungsmoratorium für einkommensarme Haushalte. Auch müsste die Regelung zur »Schonfrist« von zwei Monaten, um Mietrückstände bei Räumungsklagen begleichen zu können, ausgeweitet werden. Bislang gilt sie nur für fristlose Kündigungen, zumeist gleichzeitig ergangene, ordentliche bleiben aber wirksam. Baut die Regierung mietrechtliche Schutzmaßnahmen nicht aus, wird sie Wohnungslosigkeit nicht bekämpfen können.
Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit sind keine Naturkatastrophen, sondern Ergebnisse politischer Entscheidungen wie der des Kahlschlags am sozialen Wohnungsbau. Immerhin: Günstige Vermietung soll dem Koalitionspapier zufolge nicht länger bestraft werden. Doch bis die Bundesregierung zur Bekämpfung von Mietwucher bis zum Jahr 2027 planmäßig eine Expertengruppe aufgebaut hat, dürften schon einige Räumungen vollzogen sein. Immobilienkonzerne profitieren weiterhin von Hunderttausenden, auch ehemals öffentlichen Wohnungen.
Der Volksentscheid von »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« zeigte 2021, dass die Bevölkerung längst weiter ist als die Politik. Will man Wohnungslosigkeit in der BRD bis 2030 überwinden, muss die Ware Wohnraum einem Rechtsanspruch weichen. Öffentliche Investitionen, nachhaltiger Mieterschutz, Enteignung und Rekommunalisierung wären weitere Rezepte. Von der neuen Bundesregierung ist nichts davon zu erwarten.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Rolf Zöllner/IMAGO09.01.2025
Mietpreisregulierungen und sozialer Wohnungsbau
- Oliver Feldhaus / Umbruch Bildarchiv01.11.2023
Mogelpackung »Drittelmix«
- Rolf Vennenbernd/dpa14.04.2018
Tropfen auf den heißen Stein
Mehr aus: Inland
-
Hoffnungsvoll in Chemnitz
vom 10.05.2025 -
Merz muss widersprechen
vom 10.05.2025 -
Die Luft wird dünn
vom 10.05.2025 -
US-Autobauer baut ab
vom 10.05.2025 -
»Sie finden das nicht so schlimm«
vom 10.05.2025