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Aus: Ausgabe vom 10.05.2025, Seite 4 / Inland
Inlandsgeheimdienst

Die Luft wird dünn

Weiter Kritik an Brandenburgs Innenministerin wegen Entlassung von Verfassungsschutzchef. Linke und Grüne fordern Rücktritt
Von Max Ongsiek
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Katrin Lange (SPD), Brandenburgs Ministerin des Inneren und für Kommunales (Potsdam, 11.4.2025)

Die Entscheidung der Innenministerin Brandenburgs, den Leiter ihrer Verfassungsschutzabteilung, Jörg Müller, abzusetzen, dürfte die AfD gefreut haben. Auf Rücktrittsforderungen aus der Opposition von CDU-Fraktion sowie Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke hat Kartin Lange (SPD) mit einer Art Transparenzoffensive reagiert: Sie will demnächst Teile des 142 Seiten dicken Gutachtens des Inlandsgeheimdienstes zur Bewertung der AfD Brandenburg öffentlich machen. Dies werde zumindest derzeit geprüft, wie der RBB am Donnerstag abend berichtete.

Unter Druck geriet die Sozialdemokratin, da an ihrer Darstellung, vom Vorgang der Hochstufung der AfD als »gesichert rechtsextremistisch« durch das ihr unterstellte Landesamt für Verfassungsschutz längere Zeit nichts gewusst zu haben, von CDU bis Linkspartei als nicht glaubwürdig angegriffen worden war. Die Christdemokraten, als einzige der drei Parteien noch im Landtag vertreten, beantragte am Donnerstag Akteneinsicht in die Kommunikation zwischen Lange und Jörg Müller.

Die Innenministerin mit SPD-Parteibuch ist stellvertretende Landesparteivorsitzende und wird schon seit Jahren als Nachfolgerin des Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) gehandelt. Der stellt sich klar hinter die Politikerin. So erklärte er am Freitag gegenüber dem Sender: »Die Frage muss ich gar nicht beantworten, weil Katrin Lange die richtige Entscheidung getroffen hat und Katrin Lange eine gute Arbeit macht.«

Müller, der den Landesverband Mitte April vom Verdachtsfall zu »gesichert rechtsextrem« hochgestuft hatte, soll Lange erst am Montag darüber in Kenntnis gesetzt haben, wie die Ministerin bis zuletzt betonte. Als Begründung für das Schassen des Behördenchefs führte sie fehlendes Vertrauen an.

Dazu erklärt Rainer Genilke, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in einer Mitteilung: »Die Ausführungen der Ministerin gestern im Innenausschuss, von dem Vorgang der Hochstufung nichts gewusst zu haben, halte ich für nicht glaubwürdig. Mit der Akteneinsicht werde ich den Vorgängen jetzt auf den Grund gehen und erhoffe mir mehr Transparenz.« Die AfD in Brandenburg kündigte ebenfalls an, juristisch gegen die Einstufung vorgehen zu wollen.

Tatsächlich soll Lange schon frühzeitig über die Hochstufungspläne informiert worden sein, wie der RBB mit Verweis auf Hinweise aus Kreisen des Innenministeriums berichtete. Demnach gab es im April mehrfach Gespräche zwischen Ministerin und Verfassungsschutzleitung, in denen die Höherstufung thematisiert worden sei, wie der RBB erklärte. Dabei sei der Ministerin auch ein Bericht mit mehreren hundert Quellen vorgelegt worden, die eine Neubewertung rechtfertigten, wie es hieß. Am Mittwoch hatte Lange im Innenausschuss des Landtages eingeräumt, es habe »selbstverständlich Gespräche gegeben«. Dass die Höherstufung aber abgeschlossen sei, sei ihr erst am Montag »zur Kenntnis gelangt«. Der dpa gegenüber beteuerte Lange, sie habe sich »nichts vorzuwerfen«.

Sebastian Walter, Kolandesvorsitzender der Partei Die Linke, sagte gegenüber jW: »Katrin Lange ist als Innenministerin keinen Tag länger tragbar! Sie hat den Landtag wie auch die Öffentlichkeit offenkundig belogen. Sie versuchte, die rechtlich und fachlich begründete Hochstufung der AfD aus politischen Erwägungen heraus zu verhindern und verletzt damit grob die von ihrem Haus selbst festgelegten Zuständigkeiten.«

In der Vergangenheit war die sich als Hardlinerin gebende Lange im Potsdamer Parlament schon öfter von der Rechtsaußenpartei beklatscht worden. So gibt der SPD-BSW-Koalitionsvertrag bei der Immigrationspolitik eine Marschrichtung vor, die der AfD auch gefällt: »Deswegen unterstützt Brandenburg alle geeigneten und rechtssicheren Maßnahmen zur Eindämmung, Verhinderung und Zurückweisung von illegaler und irregulärer Migration«, heißt es dort.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Klaus W. aus Leipzig (12. Mai 2025 um 17:12 Uhr)
    Wenn der nächste Verfassungsschutz-Präsident die Linke wieder beobachten möchte, wird die Linke wohl die ersten sein, die die Entlassung fordern.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (11. Mai 2025 um 17:49 Uhr)
    Was die Brandenburger Grünen und Linken fordern, ist von geringem öffentlichen Interesse, da sie nicht einmal im Landesparlament vertreten sind. Da könnte man genauso gut die Tierschutzpartei, die Freien Wähler oder den Landesfeuerwehrverband um eine Stellungnahme bitten. Wobei letzterer in Gestalt der Freiwilligen Feuerwehren sogar in deutlich mehr Brandenburger Kommunalparlamenten vertreten und somit noch relevanter sein dürfte als die Grünen.

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