Gedenken an Befreiung
Von Max Grigutsch
Am 29. April 1945 wurde das Konzentrationslager Dachau von US-Truppen befreit. Über 40.000 Kommunisten, Gewerkschafter und andere Oppositionelle, später Sinti und Roma, Juden, Zeugen Jehovas und Homosexuelle wurden in dem Lager ermordet. Nicht ohne Grund gilt die von KPD-Politiker und Dachau-Überlebenden Hans Beimler als »Mörderlager Dachau« bezeichnete Einrichtung als Muster für weitere KZ des Hitlerfaschismus. Am Sonntag fand die zentrale Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung des Lagers statt.
»Es werden bedauerlicherweise von Jahr zu Jahr weniger Überlebende und weniger Befreier«, sagte der stellvertretende Leiter der KZ-Gedenkstätte Christoph Thonfeld gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Zum 80. Jahrestag waren nur noch rund ein Dutzend angekündigt, während vor zwanzig Jahren noch 1.000 Überlebende angereist waren, berichtete der Sender am Sonntag. Gesprochen haben unter anderem die damaligen Häftlinge Abba Naor, Jean Lafaurie, Leslie Rosenthal und Mario Candotto und der frühere US-Soldat Bud Gahs. Dieser würdigte die Überlebenden als die »wahren Helden«, wie Deutschlandfunk berichtete.
Gedacht wurde außerdem der Befreiung des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück durch die Rote Armee im heutigen Fürstenberg/Havel. »Wir brauchen die Erinnerungen der Überlebenden«, sagte die geschäftsführende Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) unter anderem vor fünf Frauen und vier Männern, die als Kinder und Jugendliche in das KZ Ravensbrück und seine Außenlager verschleppt worden waren. Zu einer Gedenkveranstaltung im ehemaligen KZ Sachsenhausen wurden am Nachmittag Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) erwartet.
Am Sonnabend absolvierte der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz seinen wohl letzten größeren öffentlichen Auftritt. Im Rahmen einer Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung der Konzentrationslager in der Hamburger KZ-Gedenkstätte Neuengamme zog der SPD-Politiker »Lehren aus dem von Deutschen angezettelten Krieg, aus der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, aus dem Mord an Millionen unschuldigen Frauen, Kindern und Männern«. Kein Anlass ist den Kriegstreibern der Berufspolitik zu schade, um gegen Russland zu wettern. Der russische Präsident Wladimir Putin habe den Krieg zurück nach Europa gebracht, konstatierte Scholz. Europa sei »der lebende und atmende Gegenentwurf zu den mörderischen Greueln des Krieges«.
Anders sahen das am Sonnabend rund 1.000 Demonstranten vor dem Sowjetischen Ehrenmal am Berliner Tiergarten. Einem Aufruf der »Initiative 8. Mai« folgend forderten sie »Frieden« und eine »gute Nachbarschaft mit Russland«. Der als Redner eingeladene Egon Krenz, letzter SED-Generalsekretär, erinnerte laut Berliner Zeitung an die 27 Millionen Toten aus der Sowjetunion, die ihr Leben für die Befreiung vom Faschismus ließen. »Alle Regierungen müssen das würdigen«, so Krenz.
Hinweis: in einer früheren Fassung des Beitrags hieß es fälschlich, die 27 Millionen Toten der Sowjetunion seien Soldaten der sowjetischen Armee gewesen. Die Zahl umfasst aber militärische und zivile Tote. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. (jW)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (4. Mai 2025 um 20:19 Uhr)Ich möchte mich ausschließlich auf den letzten Absatz beziehen. Nicht nur die Rede von Egon Krenz war sehr gut, auch der Urgroßneffe des Reichskanzlers Otto von Bismarck, Alexander von Bismarck hat eine sehr gute und inhaltsschwere Rede gehalten. Berührend waren auch die Auftritte von Laura von Wimmersperg und der Urenkelin von General Tulpanow. Sie erinnerte an die Arbeit ihres Urgroßvaters für die Erneuerung der deutschen Kultur. Umrahmt von so wundervollen Künstlern wie Karsten Troyke, Quijote aus Chemnitz, Jens Fischer Rodrian und natürlich Tino Eisbrenner war diese mehr als dreistündige Veranstaltung eine großartige Würdigung der Leistungen der Roten Armee und ihrer Alliierten. Leider waren es, mal wieder, viel zu wenig Menschen, die wir erreichten. Ein nicht unwesentlicher und unwürdiger Grund dafür ist das »Drumherum« – eine zu fast allem fähige Polizei, ein Pferch, in den die Teilnehmenden hineingepresst werden sollten. In der Tierhaltung hätte der Landwirt ein Verfahren wegen Tierquälerei am Halse. Aggressive und zu keinem Kompromiss bereite Polizeibeamte sollten uns die Teilnahme vergällen. Ziel dieser Provokationen von Staatsseite war es offensichtlich, ein Verbot nach § 14 des Berliner Versammlungsfreiheitsgesetzes zu konstruieren. Dank der Disziplin der Teilnehmenden und unserer deeskalierenden Arbeit als Ordner gelang das nicht. Aber für mich war das nur das Vorspiel für das, was uns am 8. und 9. Mai in Treptow und anderswo erwarten wird. Die Staatsgewalt will mit aller Macht das Gedenken an 27 Millionen gefallene Sowjetsoldaten tilgen. Wenn dann kaum noch einer zum Gedenken kommt, kann man wie in der Ukraine und den baltischen Staaten diese Gedenkstätten schleifen. Das darf nicht passieren – das Gedenken an die Opfer des Großen Vaterländischen Krieges muss wach gehalten werden. Es muss uns heilig sein!
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