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Aus: Ausgabe vom 19.04.2025, Seite 2 / Inland
Ostermärsche

»Menschen fragen sich, warum Geld für Rüstung da ist«

Bündnis ruft in Brandenburg/Havel zum Ostermarsch auf und hofft auf mehr Teilnehmer als in den Vorjahren. Ein Gespräch mit Dominik Mikhalkevich
Interview: Yaro Allisat
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Teilnehmer des Ostermarsches in Potsdam (12.4.2025)

Im vergangenen Jahr waren rund 150 Menschen beim Ostermarsch in Brandenburg an der Havel. Wie viele Personen erwarten Sie dieses Jahr?

Wir hoffen auf 200 oder 250. Dass wieder mehr Menschen auf Friedensdemos gehen, haben wir beim bundesweiten Ostermarschauftakt in Potsdam gesehen. Ich hoffe, das spiegelt sich auch bei uns wider.

Warum gehen trotz der Kampagnen zur Rechtfertigung der Aufrüstung wieder etwas mehr Menschen für Frieden auf die Straße?

Wir alle erleben die bundespolitische Entwicklung. Gerade erst wurden die »Kriegskredite« durch den Bundestag verabschiedet. Sie bieten eine Möglichkeit zur grenzenlosen Aufrüstung, da die Aufrüstung über ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes komplett von der Schuldenbremse ausgenommen wird. Immer mehr Menschen fragen sich, warum angeblich kein Geld für Soziales, aber für Rüstung da ist. Auch die neue Diskussion um die Wehrpflicht bewegt meiner Ansicht nach gerade jüngere Menschen. Sie merken, dass sie selbst einen Einberufungsbescheid bekommen könnten oder zur Musterung gehen müssen. Auch die Bilder auf Social Media bewegen, sowohl jene der israelischen Bombardements im Gazastreifen als auch vom Krieg in der Ukraine.

Die regierenden Parteien behaupten, dass mit den Milliardensummen insbesondere auch die Infrastruktur verbessert werden soll.

Bei dem Infrastrukturpaket ist noch gar nicht klar, wie es ausgestaltet wird. Unsere Vermutung ist, dass viele der Gelder verwendet werden, um die Infrastruktur kriegstüchtig zu machen, damit beispielsweise die Straßen nach Osten panzertauglich werden.

Was muss die Friedensbewegung tun, um diesen Entwicklungen Paroli zu bieten?

Wir müssen verstärkt außerparlamentarisch aktiv sein, also auf die Straße gehen und klarmachen, dass viele Menschen für Abrüstung sind. Dabei müssen wir auch verschiedene Generationen zusammenbringen. Die Forderung nach Friedensverhandlungen in der Ukraine bewegt vorwiegend die ältere Generation, weil dort zum Teil noch Kontakte in die ehemalige Sowjetunion bestehen. Währenddessen beschäftigen der Krieg im Gazastreifen und die Debatte um die Wehrpflicht vor allem jüngere Menschen. Wir müssen diese Themen zusammenbringen, um eine breite Friedensbewegung zu schmieden. Daneben müssen wir auch parlamentarisch eine stärkere Opposition gegen die Aufrüstung aufbauen.

Sie arbeiten in Brandenburg für das BSW. Wie nehmen Sie die Politik der Linkspartei wahr?

Die Linke agiert uneinheitlich. Im Bundestag wurden die Sondervermögen abgelehnt. Im Bundesrat haben sowohl Bremen als auch Mecklenburg-Vorpommern mit Beteiligung der Linkspartei für die Aufrüstungsmilliarden gestimmt. Entweder hat der Bundesvorstand die eigenen Landesverbände nicht im Griff. Oder es findet hier gerade eine bewusste weitere Öffnung zum Establishment statt, und man signalisiert so Kompromissbereitschaft: Mehr Geld für die Infrastruktur, dann wird auch mehr Geld für die Rüstung akzeptiert. Brandenburg und Thüringen, wo das BSW mitregiert, haben nicht zugestimmt, aber das hat leider nicht gereicht. Denn nicht nur die Linke, sondern auch die in Bayern mitregierenden Freien Wähler sind umgefallen.

2022 wurde dem Bündnis für Frieden in der Stadt Brandenburg aus Teilen der Linkspartei »Rechtsoffenheit« vorgeworfen, weil bei einer Demonstration Rechte mitliefen, darunter eine Person mit einer schwarz-weiß-roten Fahne.

Das waren von damals sehr vielen Teilnehmern nur ganz wenige. Rechte sind historisch immer für Aufrüstung und Krieg gewesen. Es gibt da also keine inhaltlichen Überschneidungen. In unserem Bündnis sind auch diesmal – wie in jedem Jahr – keine rechten Organisationen vertreten. Außerdem hatte die Linkspartei in der Stadt Brandenburg damals versucht, diese Bilder zu instrumentalisieren, um uns nicht unterstützen zu müssen. Wir hingegen laden alle ein, die ehrlichen Herzens für Frieden streiten, gemeinsam mit uns gegen Aufrüstung und für Diplomatie auf die Straße zu gehen. Dazu gehören selbstverständlich auch Mitglieder der Partei Die Linke, die enttäuscht sind vom Agieren der eigenen Partei in der Friedensfrage. Unsere Hand bleibt ausgestreckt.

Dominik Mikhalkevich ist Sprecher des Bündnisses für Frieden

4. Ostermarsch in Brandenburg an der Havel am 19.4., 14 Uhr, Neustädtischer Markt

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  • Leserbrief von Bernhard May aus Wuppertal (20. Mai 2025 um 11:59 Uhr)
    Dominik Mikhalkevich spricht mir aus der Seele, und natürlich beteiligte ich mich an möglichst vielen Ostermärschen, mit Unterbrechungen seit 1982. 1999 war ich der PDS als einer Friedenspartei beigetreten und bin, wie es ausgangs heißt, »enttäuscht vom Agieren der eigenen Partei«, so dass ich nun aus ihr austrat. Dies erwog ich schon als ein früherer Vorstand von der Teilnahme an einer bedeutenden Friedensdemo in Berlin abriet, zu der ich selbstredend trotzdem ging; als die damalige Genossin Wagenknecht übelst gemobbt wurde, weil sie für Frieden war – selbst ein Parteiausschlussverfahren war beantragt, und keins gegen Bodo Ramelow! Dessen Positionen zur Wehrpflicht, zu Waffenlieferungen aber auch zur Bahnzerschlagung nach Vorstellung der damals noch drei Jamaika-Parteien (heute »Schwarz-Grün«) waren zwar so wenig konform mit Parteibeschlüssen wie nunmehr Bremens und Schwerins seltsame Extratouren, doch dazu heißt es im Gespräch ja auch, der Bundesvorstand habe letztere »nicht im Griff«. – Und die Nichtnutzung des Bundesrats zur Kriegskredit-Ablehnung brachte dann meine Frustrationstoleranz an ihre Grenze oder »rote Linie«. Kann ich auch wenig anfangen mit den fehlenden BSW-Positionen zur Ökologie und den seltsamen zur Seuchenprophylaxe und zur Migration, auch mit vorschnellen Einknicken auf Länderebene bei Konversion in die verkehrte Richtung. Für den Frieden würde ein starkes BSW weiter sehr nötig sein, so lange es noch keine andere authentische und konsequente Friedenskraft gibt! Die DKP könnte nach meinem Eindruck eine solche sein, dürfte aber auf die Schnelle kaum über fünf Prozent erreichen.

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