Links & bündig: Jetzt bestellen!
Gegründet 1947 Montag, 10. Februar 2025, Nr. 34
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Links & bündig: Jetzt bestellen! Links & bündig: Jetzt bestellen!
Links & bündig: Jetzt bestellen!
Aus: Ausgabe vom 05.02.2025, Seite 11 / Feuilleton
Landlust

Gastronomie

Aus der Provinz
Von Jürgen Roth
imago52750683.jpg
»Muss ich mir Gedanken über dein Wahlverhalten machen?« fragte ich

Der Proletarier D. trank einen Pfeffi, danach bestellte er einen polnischen Kirschlikör, einen Soplica Wiśniowa.

»Muss ich mir Gedanken über dein Wahlverhalten machen?« fragte ich ihn.

»Nee, nee«, sagte der Proletarier D. und orderte sogleich zusätzlich einen Blue Curaçao.

Neben mir saß der Artikulationssparsamkeitskünstler Apollo, und auf einmal schoss ein außerregulärer Wortschwall aus ihm heraus: »Etz woar i a weng beim Keim«, er schnaufte, »und da woar’s oarschkalt. Da ham die Leit’ beim Essen g’fror’n. Da muss man si’ net wundern – wenn unsere Bolidiger so aorschbleed sin’. I zoahl’ a hundertfünfzig Euro Gas den Monat, und i hob’ bloß a Fünfzigquadratmeterwohnung, und i heiz’ bloß des Wohnwimmer und sonst nix. Des moch’n alles die Oarschlöcher in Berlin! Solche Drecksäu’!«

Ich vermochte ihm schwerlich zu widersprechen und wagte es gleichwohl nicht, den Namen Habeck in den Mund zu nehmen. Wer weiß, Apollo hätte sich zu einem hüttleresken Endlosmonolog aufgeschwungen.

Kurz darauf kam der türkische Chef des schräg gegenüberliegenden Imbisslokals rein und knallte drei Schachteln Kippen auf den Tresen. Herrje, pfiff er sich selber an, zwanzig, dreißig Euro verpaffe er pro Tag, er sei ja bescheuert – um dann allerdings Beschwerde darüber zu führen, dass die Marlboros in seiner Heimat das Letzte seien, »die mischen da Kuhscheiße rein, diese Wichser«, die Marlboros aus der Türkei seien ein Skandal, und die Türkei sei ein korrupter Moloch.

Wie das Geschäft laufe, fragte ich ihn in der Absicht, eine gewisse Mäßigung in der Ausdrucksweise zu stimulieren.

Ausnahmslos Arschlöcher arbeiteten bei ihm, kollerte der türkische Chef des »Bratapfels« daraufhin, er bekomme keine anständigen Leute. Wer überhaupt noch schaffen wolle, sei eine Sau. Die trügen keine Hygienehandschuhe. Beim Servieren kauten sie auf Snacks herum, das sei der Inbegriff der Respektlosigkeit den Gästen gegenüber. Sie hätten allesamt dreckige Fingernägel. Nach dem Rauchen im Hinterhof wasche sich niemand die Pfoten. Hinterm Ladentresen rotzten sie schamlos in ihre verschissenen Taschentücher. Zwei von den Schweinen habe er gerade entlassen. »Solche Leute: Weg! Weg!«

Maria, die Bedienung, schaute betrübt drein. Was los sei, fragte ich sie. »Ach, ich bin heute irgendwie depressiv. Die meisten Menschen sind hinterhältig. Die lästern hinter dem Rücken über ihre angeblichen Freunde. Es gibt keine guten Menschen mehr.«

Der türkische Chef des »Bratapfels« rollte nun die gesamte Weltgastronomie auf. Die indische Küche sei die allerekelhafteste. Die Inder hätten in ihren Küchen nur ein Becken, in dem wüschen sie die Teller ab, und sie pissten hinein. Den Brotteig rieben sie unter den Achseln hin und her, oder sie würfen ihn auf den Lehmboden und trampelten auf ihm herum, »wegen Spezialaroma«.

Auch die Pakistani könne man vollkommen vergessen, in pakistanischen Küchen sei alles eine totale Sauerei. Und in Osteuropa gehe es ja schon los mit dem Pfusch und dem Schmutz und dem Schwindel. Ein völliges Restaurantdebakel sei es bereits in Osteuropa, und die Türkei könne man ohnehin abhaken, da gebe es kein Essen, da setze man den abgestumpften Leuten ein schauderhaftes sogenanntes Fressen vor, einen Fraß gewissermaßen.

Ich dachte: Vielleicht könnte der Özdemir da mal einmarschieren oder immerhin einschreiten, verwarf den Gedanken aber umgehend und bestellte eine Fanta.

(Manchmal muss man einen Text mit einem Scherz besiegeln.)

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (4. Februar 2025 um 20:08 Uhr)
    Passt der »Bratapfel« ins »Spundloch«?

Regio:

Mehr aus: Feuilleton