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Aus: Ausgabe vom 05.02.2025, Seite 7 / Ausland
Frankreich

Am Parlament vorbei

Frankreich: Regierungschef drückt Haushalt ohne Debatte per Dekret durch. Linke weiter uneins
Von Hansgeorg Hermann
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Ganz ohne Debatte ging es nicht: Éric Coquerel von La France insoumise (Teil der »Neuen Volksfront«, Nouveau Front) konfrontiert Premier François Bayrou vom Mouvement démocrate (Paris, 3.2.2025)

Haushaltsdebatten sind in der französischen Nationalversammlung unter der Präsidentschaft Emmanuel Macrons selten geworden. Auch sein vierter Regierungschef innerhalb eines Jahres setzte seinen Staatshaushalt für 2025 am Montag nachmittag nicht mit demokratischer Entscheidung im Parlament durch, sondern per Dekret auf Grundlage des Verfassungsartikels 49.3. François Bayrou, den Macron am 13. Dezember zum neuen Ministerpräsidenten ernannt hatte, steht wie seine Vorgänger Élisabeth Borne, Gabriel Attal und Michel Barnier ohne Mehrheit da und muss nach der gestrigen Entscheidung fürchten, wie Barnier durch ein Misstrauensvotum gestürzt zu werden. Er profitierte bisher vom Streit in den Reihen der linken wie auch der extrem rechten Opposition. In der linken Neuen Volksfront (NFP, Nouveau Front Populaire) – Koalition aus France Insoumise (LFI), Grünen (LE), Kommunisten (PCF) und Parti Socialiste (PS) – weigern sich die Sozialdemokraten bisher, sich dem von der LFI angekündigten Misstrauensantrag gegen Bayrou anzuschließen.

Das Misstrauensvotum ist allerdings die einzige parlamentarische Waffe, die der Opposition bei einem Haushaltsdekret nach Artikel 49.3 bleibt. Der Artikel sieht keine Debatte vor, ihre Ablehnung des Budgets kann die Opposition daher nur durch den Sturz der Regierung deutlich machen. In der 577 Köpfe zählenden Nationalversammlung braucht sie dafür die Zustimmung von mindestens 289 Abgeordneten. Bei der aktuellen Zusammensetzung des Parlaments müssten, wie beim Sturz der Regierung Barnier im Dezember geschehen, sowohl die Volksfront wie auch die extreme Rechte des Rassemblement National (RN) einem entsprechenden Antrag zustimmen.

PS-Chef Olivier Faure begründete den Ausstieg seiner Fraktion aus der bisher weitgehend von der LFI bestimmten Strategie gegen Bayrou nicht mit der von rechts geforderten »Übernahme von Verantwortung gegenüber der Republik und der Bevölkerung«. Es sei im Gegenteil richtig, den Misstrauensantrag erst dann einzubringen und abzustimmen, wenn die staatlichen Funktionen für 2025 durch ein gültiges Haushaltsgesetz gesichert seien. Als falsch bezeichnete er die Absicht der LFI und ihres Chefs Jean-Luc Mélenchon, mit dem Sturz jedes von Macron ernannten Regierungschefs eine »Blockade der staatlichen Institutionen« zu provozieren und den Präsidenten damit letztlich zum Rücktritt zu zwingen. In der Tat will Mélenchon, der bereits seine vierte Kandidatur angekündigt hat, offenbar nicht bis zum nächsten Wahltermin im Frühjahr 2027 warten, um endlich selbst Präsident zu werden. Problem: Macron hat in den vergangenen Monaten während der von ihm verursachten Staatskrise einen Rücktritt ausgeschlossen.

PS-Anführer Faure versicherte am Montag abend, seine Partei werde trotz der Meinungsverschiedenheiten mit Mélenchons LFI stabiler Partner der Volksfront bleiben. Nach allgemeiner Einschätzung – veröffentlicht in den Medien des Landes – haben Faure und seine Fraktion mit ihrer abwartenden Taktik vor allem Marine Le Pens RN die Oppositionsführerschaft entrissen. Obwohl sich der rechtskonservative Barnier von Le Pen die großen Linien in der Migrations- und Sicherheitspolitik habe vorschreiben lassen, sei er zuletzt mit den RN-Stimmen aus dem Amt getrieben worden. Faure dagegen habe mit seiner vorsichtigen Annäherung an den Zentrumspolitiker Bayrou immerhin die geplante Streichung von 4.000 Stellen im Schulhaushalt verhindert, zusätzliche vier Milliarden Euro für den Gesundheitssektor eingetrieben und vorläufig das Recht auf Staatsbürgerschaft durch Geburt in Frankreich – also auch in den sogenannten Überseegebieten – gerettet.

Dessen ungeachtet habe Bayrou nicht nur »keinen guten Haushalt« präsentiert, erklärte Faure am Montag in einem Interview der Tageszeitung Libération. Unvergessen bleibe auch dessen Spruch, er und eine nicht weiter definierte Bevölkerungsmehrheit litten unter einem »Gefühl der Überflutung« durch Immigration. Faure: »Das hat jenen eine Gelegenheit gegeben, die sich auf dem Terrain der extremen Rechten auf (politische) Abenteuer einlassen.«

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (4. Februar 2025 um 21:37 Uhr)
    Was bitte soll am PS noch links sein; seit langem eine inkompetente Bande von OpportunistInnen.

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