Keine Gurkentruppe
Von Max Ongsiek
Spreewaldgurken sind weltberühmt und gelten hierzulande als kulinarische Delikatesse. Tatsächlich ist die Nachfrage aber seit langem rückläufig. Am Donnerstag meldete der RBB, der Marktführer für Gurkenkonserven in Ostdeutschland, die Spreewaldkonserven GmbH, werde ihren Produktionsstandort 2026 in Golßen schließen. Statt dessen soll die Herstellung von Gurkenkonserven künftig im benachbarten Schöneiche stattfinden. 220 Beschäftigte sind von der Standortverlagerung betroffen, und auch wenn die Folgen dieser noch nicht vollständig absehbar sind, ist mit Entlassungen zu rechnen. Lediglich die Logistik verbleibe in Golßen, heißt es aus Unternehmenskreisen. Erst 2021 hatte der französische Lebensmittelkonzern Andros das kriselnde Golßener Unternehmen (»Spreewaldhof«), das 1946 als Spreewaldkonserve Golßen gegründet wurde und zu DDR-Zeiten ein volkseigener Betrieb war, gekauft. Andros ist nach eigenen Angaben eines der größten fruchtverarbeitenden Unternehmen Europas.
Hauptgrund für die geplante Produktionsverlagerung seien die »unglaublichen Überkapazitäten«, denn der Standort in Golßsen »sei viel zu groß«, erklärte Till Alvermann, Geschäftsführer der Andros Deutschland GmbH, im jW-Gespräch. Die Nachricht von der Schließung des Produktionsstandorts Golßen kam für die Beschäftigten und den Betriebsrat am 29. Januar trotzdem plötzlich. »Also die Belegschaft war absolut geschockt«, erzählte Rebecca Rahe, Gewerkschaftssekretärin bei der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) im jW-Gespräch. Vor allem aber wurde dem Betriebsrat vorher keine Gelegenheit gegeben, andere Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen oder irgendwie noch einzugreifen, kritisierte Rahe. Laut der Gewerkschaftssekretärin hatte der »Betriebsrat erst in diesem Jahr noch die Anfrage der Geschäftsleitung bekommen, auf ein Dreischichtsystem umzusteigen«. Nicht die Schließung war also betriebliches Thema, sondern die Ausweitung der Produktionszeiten, wie die Gewerkschafterin ausführte. Till Alvermann stellte die Situation anders dar. Nicht nur sei die Geschäftsführung mit dem Betriebsrat in Beratung und alles »entsprechend rechtskonform«. Er betonte auch, dass es wichtig sei, »erst mal zu erklären«, warum die Standortverlagerung »sachlich und rational der richtige Weg« sei.
Rebecca Rahe betonte, dass die Auftragslage oder die Auslastung in Golßen den Kolleginnen und Kollegen keinerlei Hinweis darauf gegeben hätten, dass das Werk geschlossen werden könnte. Vielmehr scheine der Mutterkonzern Andros hier von reiner Profitmaximierung getrieben, so Rahe. »Es war bloß fraglich, ob die Auslastung und eine Ausweitung der Produktionszeiten tatsächlich miteinander vereinbar sind.« Im übrigen dürfe die von der Geschäftsführung verkündete Einstellung der Produktion des Golßener Werks zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht umgesetzt werden, erklärte die Gewerkschaftssekretärin. Das heiße, dass das Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt keine Schritte für die Schließung einleiten dürfe, führt diese aus: »Es gibt bislang keinen rechtlichen Interessenausgleich oder Sozialplan mit dem Betriebsrat. Der muss erst verhandelt werden.«
Obwohl die Spreewaldkonserven GmbH laut Geschäftsführer seit langem »faktisch insolvent« sei, hält Rahe die von Alvermann beschriebenen »Herausforderungen am Markt«, also »gestiegene Rohstoffpreise, gestiegene Energiekosten, Überkapazitäten am Markt, Schwierigkeiten in der Preisweitergabe gegenüber dem Handel«, für unzureichend. Das seien Herausforderungen, mit denen alle Mitbewerber zu kämpfen haben, betonte sie. Bei dem Standort Schöneiche handelt es sich um ein Werk, das nur während der Gurkensaison in Betrieb ist. Aktuell ruht dort die Produktion, erklärt Rahe. Der Standort wiederum wird ausschließlich für die Gurkenproduktion genutzt. Das heißt, jeden Sommer werden in großem Maße Leiharbeiter angeheuert und für die Saison der Gurkenproduktion eingestellt, beschreibt die Gewerkschafterin. Sie betont, das »Unternehmen wird jetzt langjährige Beschäftigte entlassen und auch diejenigen, die sich für das Unternehmen verdient gemacht haben«. Ziel der Produktionsverlagerung sei somit eine Gurkenproduktion, »die zu einem sehr großen Teil eben nur noch von Leiharbeitskräften« verantwortet wird.
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