Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
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Aus: Ausgabe vom 30.11.2024, Seite 12 / Thema
Kommunistische Medien

Bild als Waffe

Vor hundert Jahren erschien zum ersten Mal die Arbeiter-Illustrierte Zeitung. Mit ihren Fotomontagen und Bildreportagen setzte sie Maßstäbe
Von Werner Abel
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Meisterhafte propagandistische Bildarbeit

Vor einiger Zeit drückte mir Jürgen Wendt, der Inhaber des Antiquariats »Bücherwelt« in der Berliner Nollendorfstraße mit der Bemerkung, dass mich das interessieren könnte, eine Mappe mit darin eingehefteten Zeitschriften in die Hand. Zunächst war ich enttäuscht, weil ich nach einem oberflächlichen Blättern nur Nazizeitungen mit einer beträchtlichen Anzahl von Hitlerbildern vor mir sah. Dann aber merkte ich, dass sich im zweiten Drittel der Mappe einige Zeitschriften mit einem bräunlichen Fond, völlig unterschieden von dem grauen der Nazipostillen, befanden. Es handelte sich um die letzten im Februar 1933 vor dem Verbot der Zeitschrift erschienenen Ausgaben der Arbeiter-Illustrierten Zeitung, besser bekannt durch ihr Kürzel A-I-Z.

Die A-I-Z, Anfang der 1930er Jahre die zweitgrößte Illustrierte in Deutschland, spielte eine einzigartige Rolle in der Arbeiterbewegung, aber auch in der Geschichte der linken Presse. Sie war kommunistisch orientiert, aber auf keinem Fall eine Parteizeitung. Ihre entschiedene Zuneigung galt der jungen Sowjetmacht, über deren Arbeiter, Bauern und Angestellte und deren Armee sie intensiv und leidenschaftlich berichtete. Ihr Interesse galt aber auch den existentiellen Sorgen und sozialen Kämpfen der deutschen Arbeiterinnen und Arbeiter. Breite Beachtung fanden zudem die revolutionären Ereignisse in aller Welt, vor allem die sich anbahnenden nationalen und sozialen Umwälzungen in China.

Die Redaktion der A-I-Z, die nur aus sehr wenigen Personen bestand, hatte frühzeitig die Rolle des Bildes als Waffe erkannt. Aus diesem Grund spielte die Fotografie eine immer größere Rolle für das Blatt. Aus dessen Aufruf vom 25. März 1926 zu einem fotografischen Amateurwettbewerb ging denn auch die Vereinigung der Arbeiterfotografen Deutschlands und die Zeitschrift Der Arbeiter-Fotograf hervor. Das Erscheinungsbild der bald im Kupfertiefdruckverfahren hergestellten Zeitung bestach durch eine Mischung aus Bild, Reportage, Prosa, Lyrik und den Zeichnungen der bekanntesten Grafiker und Grafikerinnen der Zeit wie etwa George Grosz, Heinrich Zille oder Käthe Kollwitz. Regelmäßig illustrierte der weit über die A-I-Z bekannt gewordene Bulgare Boris Angeluschew unter dem Pseudonym »Bruno Fuck« Erzählungen und Fortsetzungsromane. Den optischen Höhepunkt der A-I-Z aber bildeten ab 1930 die mit eindringlichen politischen Botschaften versehenen Fotomontagen John Heartfields.

Die A-I-Z beschäftigte sich keineswegs nur mit den großen politischen Themen, sondern auch mit dem Alltag der Menschen. Sie gab Ratschläge und berichtete über kuriose Neuerungen, veröffentlichte politische Witze und Karikaturen und widmete den Kindern und vor allem den Frauen eigene Seiten.

Die A-I-Z war das journalistische Flaggschiff des Neuen Deutschen Verlags (NDV), der 1913 von dem Juristen Felix Halle gegründet worden war. Halle, der sich später als kommunistischer Anwalt vor allem für die Opfer der Klassenjustiz einsetzte, war aber nie als Verleger tätig und übergab den Verlag 1923 an Willi Münzenberg, der ihn zum Kernstück des Mediengeflechts der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH) machte.

Von 1921 bis 1922 wurde Russland von einer schweren Hungersnot heimgesucht, die Millionen Opfer forderte. Neben einer durch eine Dürre verursachten Missernte waren es, wie Lenin im August 1921 in einem Hilfeersuchen an die »fortgeschrittensten Gruppen des Weltproletariats« schrieb, vor allem die Folgen der Rückständigkeit Russlands, des Weltkriegs und des Bürgerkriegs, die zu dieser Situation geführt hatten. Die monatelange Dürre hatte die Ernte restlos vernichtet, betroffen war ein Gebiet mit 42 Millionen Einwohnern. Dringende Hilfe war notwendig. Lenin hatte das schöpferische Talent Willi Münzenbergs erkannt, der seine Funktion in der Kommunistischen Jugend-Internationale verloren hatte und nun in Moskau auf eine neue Betätigung wartete. Grigori Sinowjew, der damalige Generalsekretär der Kommunistischen Internationale (Komintern), beauftragte Münzenberg, die internationale Solidaritätskampagne für das leidende Russland zu organisieren. Schon am 12. August 1921 gründete Münzenberg in Berlin das »Auslandskomitee zur Organisation der Arbeiterhilfe für die Hungernden in Russland«.

Aus diesem Komitee entstand die Internationale Arbeiter-Hilfe (IAH), die in der Folgezeit mit 15 Millionen Einzel- und Kollektivmitgliedern zur größten internationalen proletarischen Solidaritätsorganisation ihrer Zeit wurde. Münzenberg stand ihr als Generalsekretär vor. Er ging davon aus, dass die Agitation in einer Kombination von Wort und Bild am wirksamsten sei und gründete zunächst am 7. November 1921 die illustrierte Zeitung Sowjetrussland im Bild, »die erste kommunistische Illustrierte«. Zwischen 1921 bis 1922 erschienen insgesamt zwölf Hefte mit einer Auflage von jeweils 10.000 Exemplaren. Sowjetrussland im Bild berichtete schonungslos über die Hungersnot und ihre Folgen, vor allem stand das Los der Kinder im Vordergrund. Trotz der eher bescheidenen Auflage wurde die Zeitung viel gelesen und diskutiert. Auch das und die Tatsache, dass sich viele bekannte Persönlichkeiten der Solidaritätskampagne anschlossen, führte dazu, dass mit internationaler Hilfe der Hungerkatastrophe begegnet werden konnte.

In der Folge verlangte die Entwicklung Sowjetrusslands andere Einsatzbereiche der internationalen Solidarität und der Wirtschaftshilfe. Dafür wurde eine neue Zeitung notwendig. Sie erschien erstmals am 31. Oktober 1922 unter dem Titel Sichel und Hammer und trug den Untertitel »Illustrierte Internationale Arbeiterzeitung«. Für die USA und Großbritannien wurde die Zeitschrift unter dem Titel Soviet Russia Pictorial und für Frankreich La Russie Nouvelle herausgegeben. Sichel und Hammer erschien von 1922 bis 1924 monatlich, mit bis zu 180.000 Exemplaren in einer weit größeren Auflage als ihr Vorgängerorgan. In der Ausgabe vom 30. November 1924, die in einer Auflage von 120.000 Exemplaren erschien, wurde erstmals der Untertitel »Arbeiter-Illustrierte Zeitung« benutzt.

Bei der Verlagssitzung am 11. November 1924, an der Willi Münzenberg, seine Lebensgefährtin und künftige Kodirektorin des Verlags, Babette Gross, sowie der zukünftige Leiter der Anzeigenabteilung Karl Klein teilnahmen, war der Beschluss gefasst worden, den Kopf zu ändern, um den Vertrieb von Sichel und Hammer auszudehnen. Damit einher ging die Aufforderung, »die Zeitung jetzt erneut sämtlichen bürgerlichen Zeitungsvertriebsstellen im Reich anzubieten«. Der Beschluss kann als Geburtsstunde der eigentlichen A-I-Z angesehen werden.

Allerdings führte auch die Änderung des Namens nicht zu der beabsichtigten Wirkung, nämlich mit der neuen Zeitung den Boykott des bürgerlichen Zeitungsvertriebs zu durchbrechen. Der reaktionäre Hugenberg-Konzern mit seinen zahlreichen Tageszeitungen und Zeitschriften verhinderte weiterhin, dass die Zeitschrift von den durch Hugenberg-Erzeugnisse überschwemmten Bahnhofsbuchhandlungen und Zeitungskiosken angeboten wurde.

In der ersten Zeit wurde die A-I-Z den Zeitungen der KPD beigelegt, die allerdings mit dem Roten Stern schon über eine eigene illustrierte Beilage verfügten. Deshalb lobte Münzenberg für drei Austrägerinnen der Parteizeitung, die die größte Anzahl der neuen Zeitung vertrieben, Prämien von zehn, fünf und drei Reichsmark aus. Diese Methode aber war für die Zukunft der Zeitung auch deshalb zu unsicher, weil die Zeitungen der KPD immer wieder und oft auch für längere Zeit verboten wurden; Verbote, von denen die IAH mit ihren Zeitungen, Zeitschriften und Broschüren erstaunlicherweise weitgehend verschont blieb.

Um den Absatz zu sichern – die Abonnentenzahl blieb unter den Erwartungen – setzten Münzenberg und seine Mitarbeiter auf Arbeiterreporter, deren Anzahl bald auf 3.500 stieg und die mit ihren basisbezogenen Reportagen die Sorgen und Nöte, aber auch die positiven Erlebnisse der einfachen Menschen in die Zeitung brachten, und zugleich dafür sorgten, dass die Zeitung an den Stätten ihrer Reportagen gekauft wurde. Eine andere Idee war, die Zeitung über »Kolporteure«, also über Austräger zu vertreiben, die die Zeitung an den Haustüren verkauften, was für viele Arbeitslose eine Existenzsicherung bedeutete. Bald entstanden auch die »Freundeskreise der ­A-I-Z« und die Kolporteure erhielten ein periodisch erscheinendes Mitteilungsblatt, das sie für den Verkauf qualifizierte. Der Preis von 20 Pfennigen blieb übrigens auch dann konstant, als die Zeitung im Umfang zunahm und auf wöchentliches Erscheinen umgestellt wurde.

Von 1925 bis 1926 erschienen jährlich 24 Hefte mit einer Auflage von jeweils 200.000 Exemplaren, von 1927 bis 1933 waren es 52 Hefte pro Jahr, die Auflage stieg von 220.000 (1928) auf 350.000 (ab 1929) und soll 1931 auf 500.000 Exemplare gestiegen sein. Die letzte Zahl ist allerdings umstritten. Karl Gröhl (später: Retzlaw), ein damaliger Mitarbeiter des NDV, erklärte später in einem Interview, für eine so hohe Auflage hätte die Druckkapazität nicht gereicht.

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Im Mittelpunkt der Berichterstattung der A-I-Z stand vor allem die Sowjetunion

Eine Methode, um Leser zu gewinnen, waren die sich stets um politische Themen drehenden Preisausschreiben. Für die richtigen Lösungen wurden Reisen in die UdSSR, die Übernahme von drei Monatsmieten, hochwertige Bekleidung und natürlich Geldprämien verlost.

Willi Münzenberg, der von 1924 bis 1933 Reichstagsabgeordneter der KPD und von 1927 bis 1938 Mitglied des Zentralkomitees der KPD war, sorgte dafür, dass die A-I-Z keine Parteizeitung wurde, auch wenn sie Wahlwerbung für die KPD betrieb wie zum Beispiel bei der Reichspräsidentenwahl 1925, als die Märzausgabe mit dem Bild Ernst Thälmanns auf dem Frontblatt und der Aufforderung »Das arbeitende Volk wählt den Arbeiter Thälmann!« erschien. Natürlich galten die Sympathien der Zeitung den Kommunisten in aller Welt und vor allem der Sowjetunion, aber die praktizierte Ungebundenheit erlaubte es, viele Intellektuelle und vor allem Schriftsteller an die Zeitung zu binden. Allein Kurt Tucholsky, der die Politik der KPD oft kritisierte, war unter seinem Pseudonym »Theobald Tiger« mit 38 Beiträgen in der A-I-Z vertreten. Es ist schier unmöglich, alle zu nennen, die für die A-I-Z schrieben oder deren Romane und Erzählungen dort in Fortsetzung gedruckt wurden. Münzenberg achtete mit seinen Redakteuren (hier seien stellvertretend nur Franz Höllering, Hermann Leipold und Lilly Korpus, die spätere Lebensgefährtin Johannes R. Bechers, genannt) darauf, dass der Bogen des Klassenkampfes nicht überspannt wurde. Aber trotzdem war es die in vielerlei Hinsicht konsequente Haltung der Zeitschrift, die ihr die Achtung und die Sympathie vieler Intellektueller verschaffte.

Aufrüttleung und Propaganda

Mit Blick auf das Jahr 1932 schrieb Münzenberg Ende 1931: »Die A-I-Z unterscheidet sich von allen anderen illustrierten Zeitungen nicht nur durch ihr besonderes technisches Verfahren, ihren Bildumbruch, ihre künstlerische Höhe, sondern auch prinzipiell und grundsätzlich. Die A-I-Z ist von allen erscheinenden illustrierten Zeitungen außerhalb der Sowjetunion die einzige illustrierte Zeitung, die, nicht wie die bürgerlichen illustrierten Zeitschriften, lediglich der Sensation und der Unterhaltung dienen, sondern die bewusst das Bild als ein Mittel zur Aufrüttelung und Propaganda, zur Bildung und Schule benutzt. Die A-I-Z hat seit ihrem Bestehen ununterbrochen einen zähen und aktiven Kampf gegen die faschistische Gefahr, gegen die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung, für Brot und Freiheit und für die Verwirklichung des Sozialismus geführt.«

Willi Münzenberg, der neben der A-I-Z auch die theoretische Zeitschrift der IAH Der rote Aufbau (ab 1933 Unsere Zeit) herausgab, berichtete über die IAH und ihre Aktivitäten und somit auch über die A-I-Z regelmäßig an die Komintern in Moskau. Sein bevorzugter Ansprechpartner war der Leiter des Organisationssekretariats Mauno Heimo, der offensichtlich auch öfter finanzielle Unterstützung leisten musste. Andere Briefe waren an Alfred Kurella von der Agitpropabteilung der Komintern gerichtet. Im Fond 538 des Komintern-Archivs in Moskau, dem Meshrapom-Bestand, benannt nach der russischen Abkürzung für die IAH, sind 330 Akten mit unzähligen Briefen Münzenbergs, seinen Berichten und Analysen erhalten, die auch als Geschichte der A-I-Z gelesen werden können. Die deutsche Vertretung der IAH befand sich in Moskau in der Twerskaja Jamskaja 9, hier arbeitete auch die Moskauer Redaktion der A-I-Z.

Schon 1924 erhielt der NDV eine Buchabteilung, die sich auf Literatur aus und über die Sowjetunion spezialisierte. Eine besondere Reihe war den bis auf Thomas Müntzer zurückgehenden »Rednern der Revolution« gewidmet. Für alle diese Bücher wurde in der A-I-Z eifrig geworben, am meisten wohl für die unter dem Titel »Oktober« erschienene Reportagen- und Artikelsammlung von Larissa Reissner, die 1926 im Alter von nur 31 Jahren an Typhus verstarb und es nicht mehr erlebte, dass ihr Buch auch in der Universum-Bücherei in mehreren Auflagen erschien. Diese der KPD nahestehende Buchgemeinschaft, die über 25.000 Mitglieder zählte, war 1926 von Münzenberg gegründet worden und gehörte neben der gewerkschaftlich orientierten Büchergilde Gutenberg, dem SPD-nahen »Bücherkreis« und der libertären Gilde freiheitlicher Bücherfreunde zu den linken Buchgemeinschaften der Weimarer Republik.

Für das Magazin für alle, die Zeitschrift der Universum-Bücherei, schrieben neben Lilly Korpus auch viele andere Autorinnen und Autoren der A-I-Z. Die Universum-Bücherei hatte Niederlassungen in Basel, Wien und Liberec (Reichenberg), über die die A-I-Z ebenfalls vertrieben wurde. Der Bekanntheitsgrad der A-I-Z war beeindruckend. Sie wurde in fast allen Ländern Europas gelesen, aber auch im Fernen Osten, in Australien und in Nord- und Südamerika. Mehrere tausend Exemplare gingen allein in die Sowjetunion, die den thematischen Schwerpunkt vieler Ausgaben bildete. Das lassen auch die vielen Sonderausgaben erkennen, wie die zum 10. Jahrestag der Roten Armee am 28. Februar 1928 oder »Moskau. Das Gesicht der roten Hauptstadt« (34/1931), mit dem Gedicht Johannes R. Bechers »Moskau. Die Stadt Lenins«, in dem dieser bekundete: »Und die Arbeiter / Hatten kein Vaterland / Da es die Kapitalisten / Besetzt hatten. / Aber die Arbeiter / Eroberten sich ihr Vaterland / Und vertrieben die Kapitalisten / Und hatten ein Vaterland ›UdSSR‹ / Von nun an.«

Besonders bei Arbeitern und Arbeitslosen war das Interesse an der Sowjetunion groß. Das führte mitunter zu idealisierten Darstellungen, wenn zum Beispiel in der Ausgabe 38/1931 über 24 Stunden im Leben des Moskauer Metallarbeiters Filipows und seiner Familie berichtet wurde. Wohnung, Arbeit, Freizeitgestaltung und Ausbildung der fünf Kinder zeigten nahezu paradiesische Zustände, die keineswegs mit der sowjetischen Realität des Jahres 1931 übereinstimmten, was auf harsche Kritik deutscher Arbeiter in der UdSSR und sogar sowjetischer Funktionäre stieß. Dessen ungeachtet schien es der Redaktion notwendig zu sein, Wochen später in der Ausgabe 48/1931 eine fast die ganze Zeitung umfassende Reportage über die »deutschen Filipows«, die Familie des Bauarbeiters Walter Fournes aus dem Berliner Wedding, folgen zu lassen, die, obwohl der Vater und die vier Kinder Arbeit hatten, nur mit Mühe überlebte und unter katastrophalen Bedingungen wohnte. Natürlich wäre es ihr Wunsch gewesen, so wie die Moskauer Filipows zu leben und zu arbeiten und deshalb war es logisch, dass ein Bild zwei Fournes-Söhne zeigte, die die ­A-I-Z verkauften, und ein anderes die abgehärmte Mutter, die die äußerst knappe Freizeit nutzte, um Der Weg der Frau zu lesen, eine Zeitung, die ebenfalls im NDV erschien.

Arbeiter und Angestellte

Für das zehnjährige Jubiläum der A-I-Z führte die Redaktion eine Befragung durch, die ergab, dass die Leserschaft aus 42 Prozent Facharbeitern, 33 Prozent ungelernten Arbeitern, zehn Prozent Angestellten, fünf Prozent Jugendlichen, 3,5 Prozent Hausfrauen, drei Prozent Lesern aus freien Berufen, zwei Prozent Selbständigen und einem Prozent Beamten bestand. Zum Jubiläum wurde durch die Kolporteure für 75 Pfennige auch eine von Lilly Korpus unter dem Titel »Rote Signale« gestaltete Sammlung von Gedichten und Bildern aus der A-I-Z ­verkauft.

Es ist nicht bekannt, dass eine Ausgabe der A-I-Z verboten worden wäre. Allerdings drohte am 28. März 1931 Otto Bauknecht, der sozialdemokratische Polizeipräsident von Köln, auf Grund des Paragraphen 10, Abs. 1 der Verordnung des Reichspräsidenten die Beschlagnahme eines Werbeplakats an, das das Titelblatt der A-I-Z mit dem Hinweis auf eine geplante Serie über den italienischen Faschismus zeigte. Ein anderes Schicksal ereilte die Mainummer der A-I-Z von 1931. Aus ihr musste Erich Weinerts Gedicht »Das Gesicht gegen Osten« entfernt werden. Aus unbekannten Gründen gab es dann aber zwei verschiedene Ausgaben, eine mit dem Gedicht, eine andere präsentierte an dessen Stelle nur eine halbe weiße Seite. Geblieben aber war das Titelblatt mit der eine Fahne tragenden mexikanischen Bergarbeiterfrau, eine der wohl bekanntesten, geradezu ikonischen Aufnahmen Tina Modottis.

Beispielgebendes Konzept

Das Konzept und der Erfolg der A-I-Z wirkten beispielgebend. 1928 wurden Lilly Korpus und Babette Gross nach Paris eingeladen, um den französischen Genossen ihre Erfahrungen mitzuteilen. Als Ergebnis erschien dann die französische Schwester Nos regards (Unsere Blicke), die im Gegensatz zur A-I-Z allerdings von der Komintern finanziert wurde. In der ČSR orientierte sich Svět v obrazech (Welt im Bild) an der A-I-Z, und in Deutschland nannte sich die illustrierte Zeitung des antifaschistischen republikanischen Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold ab 1929 Illustrierte Republikanische Zeitung, deren Kürzel IRZ wohl bewusst ähnlich aussah. Was der IRZ allerdings fehlte, waren die suggestiven und aufrüttelnden Montagen von John Heartfield, die dieser seit Beginn der 1930er Jahre für die A-I-Z schuf.

In der Retrospektive verblüfft, wie viele größere und kleinere bürgerliche Unternehmen in der A-I-Z inserierten, so zum Beispiel der noch heute existierende Textilversand Josef Witt aus Weiden. Eine Besonderheit der A-I-Z war die wöchentliche regionale oder lokale Beilage Geschäft und Haus mit dem »Wegweiser zur Sparsamkeit«. Das war für zahllose Geschäfte, Gaststätten und kleine Unternehmen die Gelegenheit, via Annoncen um die Gunst der A-I-Z-Leserschaft zu werben. Für die Inserenten war das meist eine politische Entscheidung, für die Zeitung eine zusätzliche Einnahme und für die Leser ein Hinweis, wo sie ihr Geld günstig bei politisch Gleichgesinnten ausgeben konnten.

Ende 1932 hatte die A-I-Z damit begonnen, mit Maria Leitners »Wehr Dich, Akato« eine Erzählung über den Klassenkampf in Surinam zu veröffentlichen. Leitner war zu dieser Zeit eine viel gelesene Autorin, deren wohl wichtigstes Werk »Hotel Amerika« sowohl der NDV als auch die Universum-Bücherei veröffentlicht hatten. Das Verbot der A-I-Z nach der Machtübertragung an die Nazis beendete auch die Fortsetzung der Erzählung, die Autorin verstarb völlig verarmt im französischen Exil. Dass heute mehr über sie bekannt ist und dass »Wehr Dich, Akato« 2017 vollständig veröffentlicht werden konnte, ist den jahrzehntelangen Forschungen von Helga W. Schwarz zu verdanken.

Am 5. März 1933 erschien die letzte Ausgabe der A-I-Z in Deutschland. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es, die Zeitung neu in Prag erscheinen zu lassen. Die Auflage war mit 12.000 Exemplaren eher bescheiden, allein 5.000 davon gingen in die Sowjetunion. Eine unbekannte Anzahl wurde im Kleinformat gedruckt und unter großer Gefahr nach Deutschland gebracht. Damit blieb die A-I-Z auch unter schwierigen Bedingungen ihrem antifaschistischen Auftrag treu.

Werner Abel ist Historiker. Er schrieb an dieser Stelle zuletzt am 18. Oktober 2024 über Palmiro Togliattis Arbeit in der Kommunistischen Internationale: Deckname »Ercoli«

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