Regieanweisungen aus Rom
Von Kristian StemmlerDie Unruhe in der von Massenaustritten geplagten katholischen Kirche in Deutschland wächst. Die sogenannten Laien bestehen auf mehr Mitsprache, die deutschen Bischöfe wollen den Druck von unten mit Reformen auffangen, der Vatikan allerdings bremst. Bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), die am Donnerstag in Augsburg zu Ende ging, sollte eigentlich über den Fortgang des Reformprozesses beraten werden. Doch nach einer Intervention des Vatikans unmittelbar zuvor hatte sich der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing genötigt gesehen, das Thema von der Tagesordnung zu nehmen.
Im Fokus des Streits steht der sogenannte Synodale Weg, ein Reformprozess, der als Konsequenz aus den Skandalen um sexualisierte Gewalt in der Kirche 2019 vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) – einem Gremium der Laien – angestoßen wurde. Eines der zentralen Projekte ist dabei der »Synodale Rat«, in dem Bischöfe und Laien gemeinsam beraten und gleichberechtigt entscheiden sollen. Unter anderem das missfällt dem Vatikan (und ziemlich sicher auch vielen kleinen und großen deutschen Kirchenfunktionären). Drei Kurienkardinäle hatten die DBK in einem Schreiben aufgefordert, sich in Augsburg nicht mit der Vorbereitung für die Einrichtung dieses Gremiums zu befassen, weil diese Pläne in Widerspruch zu den Anweisungen des Papstes stünden.
Bätzing erklärte zum Abschluss der Vollversammlung am Donnerstag, die deutschen Bischöfe wollten den »Synodalen Weg« in enger Abstimmung mit dem Vatikan weitergehen. Er wolle »alles dafür tun«, um den Sorgen Roms zu begegnen, die im Brief der Kurienkardinäle zum Ausdruck gekommen seien. »Wir wollen in keiner Weise die Autorität der Bischöfe begrenzen«, so Bätzing. Zu den hohen Austrittszahlen sagte der Limburger Bischof, die Kirche dürfe sich nicht zurückziehen »und zur Sekte werden«.
Mit scharfer Kritik hatte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp kurz vor Ende der Vollversammlung auf das Schreiben aus Rom reagiert. Sie warf den Kurienkardinälen vor, in ihrem Brief Zerrbilder zu zeichnen und Bischöfe wie Schuljungen zu behandeln. Absolut irreführend sei es, den deutschen Katholiken vorzuwerfen, Dinge ohne Abstimmung mit Rom im Alleingang voranzutreiben, sagte sie gegenüber dpa. Geradezu beschämend sei auch, dass die Kardinäle die Missbrauchsskandale mit keinem Wort erwähnten. Sie erwarte, dass die deutschen Bischöfe an ihren Reformversprechen festhielten und sich nicht einschüchtern ließen, so Stetter-Karp. Ziel des ZdK sei weiter gemeinsames Beraten und Entscheiden. »Für Beratung allein – oder anders gesagt für eine reine Simulation von Synodalität – stehen wir nicht zur Verfügung«, so die ZdK-Präsidentin.
Auch die Reformbewegung »Wir sind Kirche« äußerte Kritik an Rom. Christian Weisner, einer ihrer Sprecher, bezeichnete es am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur als großes Versäumnis des Vatikans, dass er den »Synodalen Weg« bis heute inhaltlich ignoriere und nur formal reagiere. Es sei »eigentlich nicht zu fassen, wie der Vatikan die katholische Kirche in Deutschland demütigt, die einen wesentlichen Teil des Vatikans mitfinanziert«. Jetzt sei dringend ein klärendes Konfliktgespräch nötig, bei dem aber auch die Laien und die theologische Wissenschaft aus Deutschland dabei sein sollten, erklärte Weisner: »Statt des Arguments der Macht brauchen wir wieder die Macht der Argumente – und keine Verzögerungstaktik.«
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